Aus für Schroeder-Schoenenbergs PR-Job?

© Eric Fricke

Nun, Freunde und Nachbarn, ich weiß nicht, wie sehr Sie sich für Politik interessieren. Es ist aber allemal eine lohnende Sache, gelegentlich in einer Fraktionssitzung vorbeizuschauen. Für mich war der Besuch der Fraktionssitzung der SPD am 20. September 2004 besonders lohnend, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen traf ich etliche ehemalige Mitkandidatinnen und -kandidaten wieder, und das ist ein wirklich netter Haufen. Dann erlebte ich zum ersten Male die neue SPD-Fraktion "live". Armin Welteroth beherrscht die Rolle als Fraktionssprecher bereits hervorragend mit einer gesunden Mischung aus strenger Moderation, aber auch Nachgiebigkeit, wenn den Anwesenden ein Thema auf den Nägeln brennt: "Also gut, Leute, diese beiden Wortmeldungen noch, aber dann geht's wirklich weiter mit dem nächsten Thema!"

Lohnend war auch, einmal Einblicke in die Arbeit des Jugendgemeinderates zu erhalten, eines Gremiums, das – leider! – in der Öffentlichkeit viel zu wenig wahrgenommen wird. Das, Freunde und Nachbarn, ist dann allerdings Ihr Pech – da sitzen nämlich einige junge Leute drin, denen ich es ohne weiteres vermache, dass sie eines Tages im Gemeinderat sitzen. Spätestens dann können Sie die nur noch schwer ignorieren... Tja, und dann natürlich das erste Thema des Abends. Tusch: die Rathausbilder. Oder glauben Sie, ich hätte mir wegen der Neugestaltung eines Zebrastreifens ("Wir probieren das jetzt mal quer") den Abend freigenommen?

Offenbar setzt Uli Fischer-Weissberger, Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium, meine Artikel bereits im Geschichtsunterricht ein, anders konnte ich es mir nicht erklären, dass mich einige der im Jugendgemeinderat vertretenen Schüler aufgrund der Fotos auf meiner Homepage identifizieren konnten. Der Jugendgemeinderat möchte in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen einen Antrag zur Entfernung der Schroeder-Schoenenbergschen Nazipropaganda einbringen – ein Ansinnen, das bei allen Anwesenden auf großes Wohlwollen stieß. So drehte sich die anschließende Diskussion eigentlich nur noch um Details. Als Befürchtung wurde vereinzelt – auch von mir – vorgetragen, mit der restlosen Entfernung der Rathausbilder könne die Diskussion über Waldkirchs Nazi-Vergangenheit verebben; es müsse in irgendeiner Form ein Anhaltspunkt zur Erinnerung und Mahnung geschaffen werden. Hier hatte übrigens Armin Welteroth anlässlich einer Veranstaltung im AJZ vor einiger Zeit einen ausgezeichneten Vorschlag gemacht, der deutlich weiter geht als mein Artikel "Rathausbilder und kein Ende?". Ihm schwebte ebenfalls die Ausgestaltung der Rathausflure durch Waldkircher Künstler vor, aber mit dem Unterschied, dass diese Künstler nicht nur rein gestalterisch, sondern auch geschichtlich Bezug nehmend arbeiten sollten. Ich finde diese Idee hervorragend, da sie im Grunde den Erhalt eines Originalfragments von Schroeder-Schoenenberg überflüssig macht: Es bliebe immer noch ein "Anstoßpunkt" im Rathaus, ohne sich damit dem Verdacht auszusetzen, den Nationalsozialismus zu beschönigen. Sicher kein unwesentlicher Aspekt angesichts der jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Man stelle sich übrigens vor, bei den letzten Gemeinderatswahlen wäre ein NPDler gewählt worden: Der hätte sich im Waldkircher Rathaus richtig daheim gefühlt...

Ursula Querfurth brachte auch noch einmal die Ambivalenz angesichts der Nazi-Relikte auf den Punkt und verwies auf andere, nicht propagandistisch orientierte Arbeiten Schroeder-Schoenenbergs – übrigens durchaus nicht relativierend oder beschönigend. Offenbar macht auch sie sich Gedanken über Nazi-Hinterlassenschaften, mit denen wir erheblich unbefangener umgehen – zum Beispiel mit denen Ferdinand Porsches oder Wernher von Brauns (-> "Ein nicht entnazifiziertes Treppenhaus").

Gottlob scheint auch das Thema "Kunst oder nicht Kunst" vom Tisch zu sein. Falls Sie immer noch meinen, dass es sich bei den Rathausbildern um Kunst handelt: Es ist nichts weiter als ein (zugegeben großformatiger, aber Sie sollten mal sehen, was man heutzutage mit einem Tintenstrahlplotter anstellt) PR-Job, den Schroeder-Schoenenberg da ablieferte. Hätte er das Motiv für eine Annonce erstellt, würde kein Mensch das Wort "Kunst" in den Mund nehmen. Falls Sie mir immer noch nicht glauben, bezeichne ich künftig jede von mir gestaltete Zeitungsanzeige als "Kunst" und verkaufe sie nach der Schaltung ans Elztalmuseum.

Ach ja, Museum: Ein Widerspruch wurde an dem Abend nicht geklärt. Einerseits sind die Bilder kein historisches Dokument, weil sie ja verändert wurden: Nach dem Krieg wurden, wie mir Wolfram Wette erläuterte, sämtliche Hakenkreuze übermalt. Andererseits sollen die Bilder dokumentiert und im Museum ausgestellt werden. Also scheinen sie doch als Dokument zu taugen. Tun sie auch, meiner Meinung nach. Die Ausdrucksweise des 3. Reiches ist auch ohne Hakenkreuze unübersehbar. Noch wertvoller mögen die Wandgemälde aber als historische Dokumente für die Zeit bis heute sein – als Beleg dafür, welch seltsame Wege die Vergangenheitsbewältigung noch im 21. Jahrhundert gehen kann.

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