© Eric Fricke
Bürgermeister Richard Leibinger äüßerte unlängst sinngemäß, er wolle nicht jede Entscheidung, die in der Stadt getroffen wird, vorab öffentlich breittreten lassen. Grundsätzlich stimme ich ihm da zu aus diesem Grunde haben wir Bürger Leute in den Gemeinderat gewählt, von denen wir annehmen, dass sie halbwegs in unserem Sinne entscheiden werden. Vor allem dann, wenn es um Kleinigkeiten geht, muss nicht alles zuerst öffentlich diskutiert werden, da es sonst garantiert zu gar keiner Entscheidung kommt. Dass man nicht mit allem einverstanden sein muss, was der Gemeinderat beschließt, liegt nun einmal in der Natur einer Demokratie.
Anders verhält es sich bei wirklich wichtigen Entscheidungen, insbesondere bei solchen, die nicht der Gemeinderat trifft, sondern beispielsweise Martin Müller, Chef des Sozialamts und Geschäftsführer der WABE. Wie sich der geneigte Leser erinnern mag, hatte Martin Müller vor einiger Zeit ein Konzept entwickelt, um die verfügbaren Kindergartenplätze in Waldkirch zentral zu erfassen, um den tatsächlichen Bedarf ermitteln zu können. Auch unter dem Aspekt, dass es immer wieder zu Doppelanmeldungen gekommen war und somit Plätze blockiert wurden, war Müllers Gedankengang grundsätzlich gar nicht verkehrt.
Zu seiner Idee gehörte auch eine Meldeliste für alle zu diesem Zeitpunkt in Kindergärten befindlichen Kinder. Die sollten alle in einer zentralen Datenbank erfasst werden. Nachdem das soweit gediehen war, wurde der Plan in die Tat umgesetzt, ohne ihn vorab in einem vernünftigen Rahmen bekannt zu machen. Damit hätte man auch noch leben können, leider hatte die ganze Geschichte einige Schönheitsfehler. Zunächst wurde die Abwicklung des Projekts komplett den Einrichtungen überlassen: Die sollten kurzerhand die gesammelten Daten an Martin Müller und sein Team schicken. Die Leitungen der Einrichtungen waren etwas perplex: Ob man da vorher, schon aus datenrechtlichen Gründen, nicht erst die Eltern fragen müsse? Immerhin wurde auch explizit nach der Religionszugehörigkeit der Kinder gefragt, und die geht ja nun wirklich nicht jeden etwas an. Als das bei den Eltern ruchbar wurde, gab es natürlich Bedenken hinsichtlich einer künftigen Wahlfreiheit des Kindergartenplatzes: Sollte das womöglich darauf hinauslaufen, dass evangelische Kinder nur noch einen Platz im evangelischen Kindergarten bekommen sollten? Katholiken nur noch bei den Katholen? Und der Rest in städtischen Einrichtungen? Noch bevor Martin Müller versichern konnte, dass die Wahlfreiheit des Kindergartenplatzes unangetastet bliebe, zog sich eine der Einrichtungen elegant aus der Affäre, indem die Eltern mittels eines vorbereiteten Formulars gebeten wurden, die Daten doch selbst anzugeben. Dabei tauchte die Frage nach der Religionszugehörigkeit gar nicht mehr auf.
Zufällig traf ich Martin Müller damals, als ich gerade aus dem Haus ging und er aus der WABE-Ausfahrt kam. Wir plauderten über dies und jenes, und schließlich konnte ich es natürlich nicht bleiben lassen, ihn auf die zentrale Erfassung der Kindergartenplätze anzusprechen. Er frage sich, meinte der Sozialamtschef, was denn da schiefgegangen sei. Alle schössen quer. Nun, das war einfach zu beantworten. Martin Müller ist, was in Behörden eher selten vorkommt, sehr kreativ. Dazu ist er in der Lage, über den eigenen Schreibtischrand hinauszublicken. Leider scheint er dennoch oft in klassischen Beamtenbahnen zu denken, und da gibt es wenig Platz dafür, wie man eine Idee verkauft.
Die formalen Fehler
des Konzepts wie die Datenschutzbedenken waren nur ein Grund,
dass die Idee nicht zündete. Ein weiterer Grund war möglicherweise,
dass in Waldkirch nicht etwa laut Martin Müller ein Überschuss
von rund 100 Plätzen besteht, sondern einer von rund 20, wie mir aus zuverlässiger
Quelle versichert wurde. Aber was die Leute letztendlich richtig auf die Palme
brachte, war das Gefühl, da liefe etwas hinter ihrem Rücken ab. Kein
Wunder, dass die Datenerfassung unvollständig blieb...
"Du musst werblich denken und deine Ideen entsprechend verkaufen."
schlug ich Martin Müller damals vor. Ich fürchte, er hat es nicht
so ganz beherzigt.
Ein neues Konzept zur Ganztagesbetreuung von Kindern musste her. Prima. Bei der Kastelbergschule sollten neue Räume entstehen. Auch recht. Zwar hat Waldkirch kein Geld, aber es wurde eifrig über Zuschüsse diskutiert. Nun denn.
Die "Windmühle", Waldkirchs AWO-Flaggschiff zur Kinderbetreuung, solle dorthin umziehen, erläuterte Martin Müller. Verständlich, dass die Eltern frustriert waren, hatte man doch all die Jahre in viel Eigeninitiative das Gelände auf Vordermann gebracht. Aber gut, nichts ist für die Ewigkeit geschaffen, und die Kinder, die derzeit in der "Windmühle" betreut werden, sind von dem Umzug ohnehin nicht mehr betroffen. Die Eltern, die in den nächsten zwei Jahren ihre Kinder in der "Windmühle" anmelden, werden sich ihr Engagement halt ein wenig aufsparen müssen. Übergangszeiten sind immer etwas beschwerlich, da muss man durch. Na, wenn's dann mal soweit ist, wird das sicher auch nett, oder? (Nebenbei: Was würde wohl die AWO zu den Plänen der Stadt sagen? Meine zuverlässige Quelle war der Ansicht, dass die Pläne ganz im Sinne der Arbeiterwohlfahrt seien, und siehe da, es hat sich bestätigt. Muss meiner Quelle mal ein Bier zahlen...)
Aber Umzug? Pustekuchen. Auf einmal heißt es: Die "Windmühle" wird dicht gemacht, die Kinder, die dann noch dort sind, müssen neu angemeldet werden. Das Personal wird natürlich auch nicht übernommen, aber wozu haben wir denn eine bestens organisierte Agentur für Arbeit?
Ja, die Stadt braucht Geld, das Gebäude, das die "Windmühle" beherbergt, ist sowieso nicht mehr das allerfrischeste, aber das Grundstück, ja, das hätte ich auch gerne: Groß, ausgezeichnete Lage, das dürfte schon etwas abwerfen, womöglich sogar mehr als jenes ummauerte Grundstück in der Gutenbergstraße, auf dem das ehemalige Gefängnis steht. Das ist, dem Vernehmen nach, von einem Privatmann gekauft worden. Der hat entweder so richtig Kohle ohne Ende (dann freuen wir uns, dass die jetzt im Stadtsäckel ist), oder die Stadt hat den Grund samt Knast für zweifuffzig verscherbelt (dann sollte man im Rathaus mal jemanden kräftig an der Krawatte ziehen). Aber das kriege ich auch noch raus...
Nun, ich erinnere mich noch gut an den Kommunalwahlkampf 2004 (logisch, war ja selbst dabei): Parteienübergreifend wurde da mehr Transparenz in Gemeinderat und Verwaltung versprochen, mehr Bürgernähe, eine bessere Vermittlung von Entscheidungen.
Aber, Freunde und Nachbarn, das klappt noch nicht so recht: Mit Rauchbomben und Nebelkerzen schafft man keine Transparenz. Ehrlich!