Euch sollen wir wählen?!

© Eric Fricke

Gemäß der Entscheidung unserer Verfassungsrichter dürfen wir also am 18. September wieder unser Kreuzchen machen. Im Idealfall sähe das so aus, dass jeder für die ihm genehme Partei stimmt, die eine ganz spezifische Richtung vertritt. Das allerdings ist heutzutage Wunschdenken. Die Parteien unterscheiden sich allenfalls noch marginal; allen gemeinsam ist ein ausgeprägtes Machtstreben. Angebliche Reformen zielen in Wirklichkeit auf den Erhalt des Status quo ab. Letztlich hat die Politik auch kaum noch etwas zu melden; wer in Wirklichkeit regiert, sind die Konzerne, deren einziges Streben die Gewinnmaximierung ist, selbst wenn dies auf Kosten des Gemeinwesens – und somit der Menschen – geht. Ursprünglich demokratische Entscheidungsprozesse werden mehr und mehr in Gremien verlagert, denen nicht selten Wirtschaftsbosse vorstehen und denen es nicht um das Wohl der Menschen, sondern um das Steigen der Aktienkurse geht. Die Politiker aller Parteien sind vom Volk entfremdet. Weder Gerhard Schröder noch Angela Merkel können sich in die Ängste und Sorgen des "einfachen Bürgers" einfühlen. Dieser wird zusehends durch offensichtlich völlig unmotivierte Entscheidungen verunsichert, wenn nicht gar entmündigt.

Tatsache ist sicher, dass die SPD nicht die Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit trägt. Als die CDU nämlich seinerzeit ans Ruder kam, stieg die Zahl der Arbeitslosen binnen kürzester Frist von 900.000 auf 2,2 Millionen. 1997, also vor dem Regierungswechsel, lag der damalige Rekord bei rund 4,4 Millionen. Der Vorwurf, die SPD trüge die Schuld an mittlerweile fünf Millionen Arbeitslosen, ist somit völlig daneben – hätte sich in deren Regierungszeit die Arbeitslosigkeit, wie damals unter der CDU, vervierfacht, müssten wir heute mit 17,6 Millionen Arbeitslosen leben...
Trägt man den unterschiedlichen Definitionen der Arbeitslosigkeit Rechnung (also entsprechend der Vor-Hartz-Zeit) dürfte die Anzahl etwa um zehn Prozent gestiegen sein. Was natürlich schlimm genug ist.
Was man der SPD aber durchaus vorwerfen muss, ist, dass sie gegen bestimmte Ursachen der Arbeitslosigkeit nichts unternimmt – dem Treiben raffgieriger Konzernbosse beispielsweise wird weitgehend schweigend zugesehen. Auch zum unmittelbaren Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit hört man nichts. Freilich ist auch die hohe Verschuldung eine Erblast der CDU, was die SPD aber nicht daran hindert, fleißig weitere Kredite aufzunehmen, die im Grunde nie mehr getilgt werden können – es sei denn, die Reichen der Republik beschlössen, einen Teil ihres Ersparten herzugeben und die Republik zu entschulden.

Ein anderes unserer großen Probleme besteht also darin, dass es überall an Geld fehlt. Landauf, landab verfallen öffentliche Einrichtungen, werden die Straßen zu Stoßdämpfer-Teststrecken, werden Kulturprojekte gestrichen, werden Schwimmbäder geschlossen, fällt Schulunterricht aus, weil marode Deckenverkleidungen abfallen oder es durchs Dach regnet. Selbst die engagiertesten Bürger, von denen wir in Waldkirch glücklicherweise etliche haben, können mit ihren Initiativen nicht alles auffangen. Kein Wunder, dass die Gemeindekassen leer sind, wo es doch inzwischen zum üblichen Gebaren von Konzernen gehört, kaum oder gar überhaupt keine Steuern zu zahlen. Milliardengewinne wandern nicht nur unter Ausnutzung sämtlicher Schlupflöcher am Fiskus vorbei, dank solcher wundersamen Konstrukte wie des Verlustvortrages kann manch ein Unternehmen selbst bei überquellenden Kassen noch mit Steuerrückzahlungen rechnen. Deutschland ist zur Steueroase geworden – zumindest für die Reichen. Beliebt ist auch das Einstreichen von Subventionen, mit denen man, ohne die Firmenkasse übermäßig zu belasten, irgendwo ein neues Werk errichtet, das dann nach Ablauf einer gewissen Schamfrist wieder geschlossen wird, um die Produktion ins Ausland zu verlagern. Die damit verbundenen Kosten werden natürlich steuerlich geltend gemacht.

Die panischen Versuche, die fehlenden Milliarden wieder irgendwo hereinzubekommen, treffen dann den kleinen Handwerker, den Mittelständler, den Freiberufler, den Angestellten ebenso wie den Arbeitslosen. Für meine freiberufliche Tätigkeit nach Feierabend darf ich bis zum Jahresende geharnischte Vorauszahlungen leisten – obwohl ich seit Anfang Juli keinen Cent mehr eingenommen habe. Steuergerechtigkeit? Kein Wunder, dass die Schwarzarbeit, trotz hoher Strafandrohungen, boomt.

Tabaksteuer, Ökosteuer, Autobahnmaut (wer mag noch daran glauben, dass sie nicht für PKWs eingeführt wird?), die Mehrwertsteuer... es gibt praktisch keinen Bereich, wo der Staat nicht versucht, noch ein paar Euro herauszuholen. Völlig willkürlich und mit kürzester Vorlaufzeit wurde da zum 1. Mai die KFZ-Steuer für leichte Nutzfahrzeuge mit PKW-Zulassung an den PKW-Tarif angeglichen. Es war praktisch unmöglich, auf diese Gesetzesänderung zu reagieren, da zwei Wochen vor deren Inkrafttreten selbst die Finanzbehörden keine Ahnung hatten, was denn konkret auf sie zukäme. Ein Beamter des Finanzamtes Emmendingen wollte sich auf telefonische Nachfrage nicht festlegen, ob die Mehreinnahmen den erhöhten Verwaltungsaufwand überhaupt decken würden.

Ähnlich konfus verlief die Erhöhung der Tabaksteuer, die ja vorgeblich nur zum Wohle der Volksgesundheit durchgeführt wurde. Der darob gesunkene Tabakkonsum mag ja seinen Teil dazu beitragen, nun stellten die Politiker aber fest, dass gleichzeitig die Steuereinnahmen zurückgingen. Die darauf heftig entflammte Diskussion, ob die Erhöhung wenigstens zum Teil wieder rückgängig gemacht werden solle, machte deutlich, wieviel der Politikerkaste an der Gesundheit der Bürger liegt.

Gesetze und Verordnungen werden immer willkürlicher und planloser, komplexe wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge werden ignoriert. Zuweilen drängt sich das Bild eines leckgeschlagenen Boots auf, in das die Insassen immer weitere Löcher bohren, um das eingedrungene Wasser abzulassen.

Das Phänomen, den Teufel mit Beelzebub austreiben zu wollen, ist aber mitnichten nur symptomatisch für die SPD, die dazu beigetragen hat, dass seit ihrer Regierungsübernahme der Anteil des deutschen Gesamtvermögens der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung von 45 auf 47 Prozent stieg – und gleichzeitig die Armut entsprechend zunahm.

Auch die übrigen zur Wahl antretenden Parteien wollen den Auswirkungen des Anarcho-Kapitalismus begegnen, indem sie ihn stärken. Völlig unverfroren kündigt Guido Westerwelle an, im Falle eines schwarz-gelben Wahlsieges die Gewerkschaften zu entmachten und will dabei selbst Massenproteste in Kauf nehmen. Angeblich soll das Arbeitsplätze schaffen, genauso wie Angela Merkels unverhüllte Ankündigung, die Arbeitnehmerrechte einzuschränken. Die Logik dabei: Hätten die Arbeitgeber keine Arbeitnehmerrechte zu beachten, seien sie auch eher geneigt, Leute einzustellen. In eine ähnliche Richtung geht die Begründung zur Senkung von Unternehmenssteuern: Machten die Konzerne anständige Gewinne, könnten sie sich auch wieder die Einstellung von Personal leisten. Weder Angela Merkel noch Guido Westerwelle lassen sich über den Widerspruch aus, dass Konzerngewinne subventioniert werden, die Konzerne gleichzeitig aber eine perfekte, vom Staat finanzierte Infrastruktur voraussetzen und dennoch immer mehr Leute auf die Straße setzen.

Es mögen einem fast die Tränen kommen ob solcher Naivität – oder ist es Ignoranz? Die Konzerne machen in der Tat keine anständigen Gewinne, allenfalls unanständige auf Kosten der ehrlichen Steuerzahler. Die Leute werden nicht etwa entlassen, weil kein Geld da ist, um sie zu bezahlen, sondern um Rekordgewinne nach oben abzurunden! Der Rest, der dann noch Arbeit hat, darf ohne Lohnausgleich länger arbeiten.

Das Linksbündnis um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi mit dem etwas sperrigen Kürzel "WASG" mag zwar einige programmatische Alternativen bieten, manch einer dürfte sich aber mit Frontmann Lafontaine schwer tun. Zweifellos bringt er Erfahrung mit, dazu Intelligenz, Selbstsicherheit und die Fähigkeit, querzudenken. Zuweilen aber rutscht Lafontaines Rhetorik arg auf populistisches Glatteis, klingen seine (im Grunde ja sinnvollen) Versuche, Wähler vom rechten Rand auf den rechten (beziehungsweise linken) Weg zurückzuführen, eher anbiedernd. Dass ein selbsternannter Held der Arbeiterklasse sich als "Bild"-Kolumnist unter Vertrag nehmen lässt, hat ebenfalls einen seltsamen Beigeschmack. Mit der nun erneut aufgenommenen politischen Arbeit musste er seine Kolumne notgedrungen aufgeben, was Lafontaine aber nicht daran hinderte, sich auf den noch laufenden Vertrag zu berufen und die Weiterzahlung seines Salärs zu fordern. Da der Ex-Minister nun weiß Gott finanziell rundum abgesichert ist, drängt sich die durchaus berechtigte Frage auf, ob er womöglich auch zu jener Sorte gehört, die den Hals nicht voll genug kriegen kann. Noch ein aktuelles Beispiel gefällig? Oskar Lafontaine sollte an einer Medienveranstaltung von "Bild am Sonntag" teilnehmen. Er sagte ab, aber nicht, weil er fürchtete, die Teilnahme an einer Veranstaltung des Springer-Verlages könnte an seinem Image kratzen, sondern weil ihm der Verlag keinen Privatjet zur Verfügung stellte, der ihn von seiner Ferieninsel Mallorca nach Deutschland und wieder zurück gebracht hätte. Nebenbei, was macht der Spitzenkandidat einer Partei eigentlich mitten im Wahlkampf auf Mallorca?

Es gibt keine einfache "Wir-senken-die-Steuern-und-alles-wird-gut"-Lösung. Es gibt Faktoren, auf die keine Regierung – gleich, welcher Partei sie angehört – Einfluss hat. Dazu gehören die schwindenden Erdölvorräte, die zu einem permanenten Preisanstieg führen. Es ist daher schlicht unmöglich, mit irgendeiner Maßnahme das Wachstum einer Wirtschaft zu erreichen, die im Wesentlichen erdölbasiert ist. Ein Wirtschaftswachstum geht zwangsläufig mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch einher; ist die Ressource endlich, ist es auch das Wachstum. Selbst unbegrenzte Erdölvorräte ergäben kein infinites Wachstum; hier werden die Grenzen durch die zunehmende globale Erwärmung und den damit verbundenen Klimaveränderungen gesetzt. Das von der CDU propagierte Ausweichen auf Kernkraft bringt hier auch nichts; die mittlerweile völlig veralteten Konzepte enthalten nach wie vor keine vernünftige Lösung zur Entsorgung verbrauchter Brennelemente, schließlich fehlen der CDU jegliche Ansätze zum Verkehr; immerhin lassen sich Autos schlecht mit mobilen Kernkraftwerken ausstatten. Zudem gelten doch gerade Atomanlagen angesichts des Terrorismus als Risikopotenziale, aber das wird in diesem Zusammenhang lieber nicht aufs Tapet gebracht, da ansonsten irgend jemand von der CDU diesen Widerspruch aufklären müsste.

Wenn einem nun schon außer "Wachstum" nichts weiter einfällt, sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass sich dieses nicht ausschließlich über Unternehmensgewinne definiert. Unter anderem entsteht ein Wachstum auch dadurch, dass der Verbraucher in der Lage ist, zu konsumieren. Dazu braucht er nicht nur Geld, sondern auch eine gewisse Sicherheit, und genau die hat ihm die SPD bereits genommen – und die CDU wird sie ihm im Falle eines Regierungsantritts noch mehr nehmen.

Hartz IV ist ein staatliches Enteignungsprogramm, dass dem Betroffenen umso mehr nimmt, je weniger er hat. Nehmen wir einen durchschnittlichen Angestellten, 45 Jahre alt, der mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Mietwohnung mit 100 Quadratmetern lebt. Von seinen Ersparnissen hat er sich ein neues Auto gekauft; nichts Üppiges, einen Golf für 18.000 Euro. Drei Jahre später beschließt der Konzern, für den der Angestellte arbeitet, dass der Gewinn etwas üppiger hätte ausfallen können, und entlässt 1.000 Mitarbeiter, unter anderem eben jenen Angestellten. Nachdem er 25 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, darf er jetzt selbst stempeln gehen. Da der Angestellte in seinem Alter kaum noch zu vermitteln ist (andererseits aber nach der Vorstellung der Politik ein 67-Jähriger durchaus noch arbeitsfähig sein soll), hat er nach einem Jahr immer noch keinen Job. Auf der Agentur für Arbeit rechnet man ihm vor, dass eine 100-Quadratmeter-Wohnung für einen Vier-Personen-Haushalt völlig unangemessen ist. Folglich muss die Familie umziehen. Auch der inzwischen vier Jahre alte Golf gilt als unangemessen, da er noch 9.000 Euro wert ist – das hat der zuständige Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit anhand von Zeitungsanzeigen recherchiert. Folglich muss das Auto verkauft werden, aber immerhin darf sich die Familie für 5.000 Euro wieder ein Fahrzeug kaufen. Dass dieses acht Jahre alt ist und ein entsprechend höheres Schadensrisiko hat, interessiert die Agentur für Arbeit nicht. Ebensowenig, dass ältere Autos im Allgemeinen mehr Steuern kosten, weil sie aktuelle Schadstoffnormen nicht einhalten können. Offenbar hat es sich noch nicht überall herumgesprochen, dass ein Auto keine Wertsteigerung erfährt und wird daher von der Agentur für Arbeit in die gleiche Kategorie eingeordnet wie eine Sammlung antiker Münzen. Wer hingegen eine "angemessene" Eigentumswohnung besitzt, darf diese behalten, ungeachtet der Tatsache, dass Immobilien im Normalfall einer Wertsteigerung unterliegen. Aber wer hat, dem wird gegeben. Und dies wird unter einer CDU-Regierung mehr denn je der Fall sein.

Die Bürger seien "Politik-verdrossen", hört man allenthalben. Das dürfte eher in der Nähe eines Gerüchts anzusiedeln sein. Treffender wäre sicher "Politiker-verdrossen" – und das parteienübergreifend.

Telekommunikations-Überwachungsverordnung, Vorratsspeicherung aller Kommunikationsdaten, das Kippen des Bankgeheimnisses, die Möglichkeit der Erstellung von Bewegungsprofilen aller Autofahrer durch LKW-Mautanlagen, Kamera-Überwachung in Städten, Speicherung von genetischen Daten – Gerorge Orwell lässt grüßen. Selbst die völlig misslungene Rechtschreibreform, die gegen den Willen eines Großteils (diverse Umfrageergebnisse beziffern den Anteil der Reformgegner auf 70 bis 80 Prozent) der deutschsprachigen Bevölkerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgesetzt wurde, erinnert teilweise an den Orwellschen "newspeak". Was die Nationalsozialisten wegen des Krieges nicht schafften, nämlich eine Reform, die sich teilweise nicht mehr an Wortbedeutungen orientierte, sondern an formalen Kriterien, wurde inzwischen realisiert – jedenfalls in 14 von 16 Bundesländern. Immerhin scheint man jetzt ein Stück zurückzurudern (oder: zurück zu rudern?), da ruchbar wurde, dass die Getrenntschreibung nicht nur die Betonung beim lauten Lesen, sondern sogar Bedeutungen teilweise verändert, was wiederum dazu führen kann, dass etliche Wörter verschwinden und die Sprache dadurch ärmer wird.

Nach internationalem Vorbild wurde jetzt auch in Deutschland der Kampf gegen die Subkultur aufgenommen. Unter dem Vorwand, nach Fußball-Hooligans zu fahnden, wurde eine private Techno-Party in Berlin mit brutalem Polizeieinsatz beendet. Man könnte diese Aktion für ein bedauerliches Versehen oder für einen Zufall halten, wäre nicht zuvor eine solche Party in Tschechien mit Tränengas aufgelöst worden. Auch in Utah/USA wurde eine Party unter Einsatz von Panzern und Hubschraubern im Wortsinne zerschlagen; die teilweise minderjährigen Teilnehmer wurden von Polizisten mit Maschinenpistolen bedroht und mit Knüppeln niedergeprügelt. Offenbar wächst die Angst der Herrschenden vor allem, was ihnen unberechenbar erscheint. Unter diesem Aspekt erscheint auch der von Otto Schily propagierte Hubschraubereinsatz gegen Graffiti-Sprayer und die ebenfalls von ihm vorgeschlagene Ausweitung der erkennungsdienstlichen Behandlung durch Genanalyse selbst bei kleineren Straftaten in einem neuen Licht. Man könnte spekulieren, dass es nicht um Kleinkriminalität geht, sondern darum, Leute unter Kontrolle zu halten, bei denen durch ihre niedrigere Hemmschwelle zu illegalem oder auch nur nonkonformem Tun auch die Hemmschwelle zum Widerstand bis hin zur Untergrundarbeit niedriger liegen könnte, wenn die demokratischen Strukturen weiterhin zerfallen.

Unter solchen Gesichtspunkten mag die Unfähigkeit der Politik zu Problemlösungen vielleicht ein kleiner Trost sein; möglicherweise stehen sich die Politiker bei der Schaffung einer "Demokratur" selbst im Wege. Kommen wir noch einmal auf das bereits in früheren Artikeln erwähnte Feinstaubproblem in den Städten zurück. Es ist Ende August, in vier Monaten wollen die ersten Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter einführen. Es sind jedoch nach wie vor kaum Nachrüstfilter erhältlich – die Hersteller können sie nicht produzieren, weil das Bundesumweltministerium immer noch keine Vorgaben geliefert hat. Durch die Bundestagswahl wird sich eine solche Entscheidung vermutlich weiter verzögern; wenn es zu einem Regierungswechsel kommt, wird wohl wieder alles offen sein. Inzwischen werden die Fahrverbote einen Gutteil des privaten und einen Großteil des gewerblichen Innenstadtverkehrs lahmlegen – ohne irgendwelche Ausweichkonzepte. Und zum Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs fehlt das Geld.

In Berlin hat man indes andere Sorgen: Der Nachwuchs soll so früh wie möglich gefördert werden – vermutlich, um ihn noch früher in den Produktionsprozess (oder in die Arbeitslosigkeit?) eingliedern zu können. Folglich tauchte der Vorschlag auf, dass alle Kinder bereits mit zwei Jahren den Kindergarten besuchen sollen. Wie weltfremd und wirklichkeitsfern sind die Regierenden eigentlich? Sind ihnen denn in ihrer geistigen Entrücktheit nicht einmal die elementarsten biologischen Vorgänge bekannt? Ein Kind von zwei Jahren ist nicht in der Lage, zur Toilette zu gehen. Das heißt, dass die ohnehin nicht gerade unterbeschäftigten (und auch alles andere als überbezahlten) Erzieherinnen und Erzieher ihre Zeit nicht mit einer wie auch immer beschaffenen "Förderung" der Kinder verbringen, sondern damit, ihnen die Windeln zu wechseln! Oh Herr, wirf Hirn runter!

Fassen wir also zusammen: Die SPD als ehemalige Arbeiterpartei redet dem Kapital das Wort. Die CDU will die Arbeitnehmer noch weiter entrechten. Die Grünen stecken im Dilemma zwischen Kapitalismus und Ökologie. Die FDP steht opportunistisch immer auf der Seite des mutmaßlichen Wahlgewinners. Das Aushängeschild der WASG steht in seiner Raffgier keinem Konzernboss nach.

So, und nun machen Sie mal Ihr Kreuzchen...

25_08_05

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