Zukunftsvisionen

© Eric Fricke

Zu den Glanzzeiten der Sowjetunion kursierte dort folgender Witz:
Breschnew befragte einen Hellseher nach der Zukunft der UdSSR. Der schaute in seine Glaskugel und sprach: "Ich sehe den Roten Platz. Alles ist mir roten Fahnen geschmückt. Soldaten paradieren am Kreml vorbei und singen die Internationale. Überall hängen Transparente mit Aufschriften." Breschnew fragte: "Und was steht auf den Transparenten?" Darauf der Hellseher: "Tut mir Leid, ich kann es nicht lesen – es ist Chinesisch."

In letzter Zeit geht mir dieser Witz ständig durch den Kopf, wenn ich morgens die Zeitung aufschlage. Ich sammle ja zur Recherche meiner Artikel Zeitungssausschnitte. Und neulich, als ich wieder einmal einen Artikel kopierte, hatte ich plötzlich eine Vision. Vor meinem geistigen Auge tauchten plötzlich Zeitungssausschnitte aus der Zukunft auf. Im Gegensatz zum Hellseher im Kreml konnte ich sie aber lesen – zu meinem Leidwesen...

Arbeitslosengeld sozial ungerecht
Berlin (dpa) Als "sozial ungerecht" bezeichnete Arbeitgeberpräsident Huber das Arbeitslosengeld, da die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ja letztlich von den Unternehmern bezahlt würden: "Wir sind schließlich diejenigen, die die Versicherung durch Gehaltszahlungen erst möglich machen!" Sollte er als Unternehmer arbeitslos werden, stünde ihm keinerlei Unterstützung zu. Daher, so Huber, sei das Arbeitslosengeld eine nicht hinzunehmende Ungleichbehandlung.

Demonstation aufgelöst
Freiburg (wk) Eine Demonstration mehrerer Dutzend nebenberuflich tätiger Maler, Musiker, Schriftsteller und Schauspieler vor dem Stadttheater wurde gestern von der Polizei beendet. Ein Sprecher der Künstler erklärte, dass durch die Einführung der 60-Stunden-Woche eine nebenberufliche Tätigkeit im künstlerischen Bereich kaum noch möglich sei. Deutschland werde nicht nur finanziell, sondern auch kulturell verarmen. Um möglichen Ausschreitungen vorzubeugen, wurde die Versammlung durch eine Hundertschaft Polizei und Grenzschutz mit Wasserwerfern und Schlagstockeinsatz aufgelöst. Etwa zehn Personen wurden verhaftet, darunter der bekannte Schriftsteller Hubert Hamberle, der nach Zeugenaussagen den Einsatzleiter der GSG mit einem Manuskript bedroht haben soll.

Konkurrenz für Linkspartei?
Mannheim (dpa) Die Gründung einer neuen Partei "rechts von der bürgerlichen Mitte" gab gestern deren Sprecher Anton Hinkel bekannt. Die Organisation "Arbeitslose Deutschlands Ohne Linke Fuzzies", kurz "ADOLF", rechnet bei den kommenden Bundestagswahlen mit einem Einzug ins Parlament.

Spiegel: Herr Bundeskanzler, einer Ihrer Kernaussagen war ja, dass die Reformen Ihres Vorgängers nicht weitreichend genug waren. Können Sie das konkretisieren?
Kanzler: Nun, ein wesentlicher Punkt, in dem mir übrigens auch namhafte Wirtschaftsvertreter zustimmten, ist die mangelnde Motivation der Arbeitslosen, sich einen Job zu suchen. Hier müssen erheblich stärkere Anreize geschaffen werden. Diese könnten darin bestehen, dass Arbeitslose, bevor sie vom Staat unterstützt werden, erst mal ihren entbehrlichen Luxus verkaufen müssen. Sprich, das Auto, die Eigentumswohnung, Kunstgegenstände und dergleichen. Und selbstverständlich muss ein eventuell vorhandenes Barvermögen zum Lebensunterhalt aufgewendet werden. Ich meine, es kann nicht sein, dass ein Arbeitsloser Mercedes fährt oder im Kaschmirpullover auf der faulen Haut liegt und sich vom Staat beschenken lässt. Mit Sicherheit werden dann auch Akademiker von ihrem hohen Ross steigen und sich um Arbeiten wie Spargelstechen und Erdbeerenpflücken bewerben.
Spiegel: Herr Bundeskanzler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

...stellte auch der Innenminister klar: Ein Bundeswehreinsatz im Inland zur Unterstützung der Polizei darf kein Tabuthema mehr sein: "Es geht um die langfristige Sicherung des inneren Friedens in der Bundesrepublik." Auf die Frage, an welches Gefahrenpotenzial im Inneren der Minister denn konkret denke, antwortete dieser: "Denken Sie nur an den Terrorismus!" Die Frage, ob er damit Al Qaida meine, ließ der Innenminister indes unbeantwortet.

...handelte es sich bei der Detonation im Regierungsviertel um eine Gasexplosion, die durch einen unvorsichtigen Baggerführer ausgelöst wurde. Meldungen, die von einem Attentatsversuch sprachen, seien völlig aus der Luft gegriffen. Ebenso sei die Aussage eines Journalisten, es gäbe in diesem Teil des Regierungsbezirkes überhaupt keine Baustellen, völlig haltlos, so die Auskunft von Regierungssprecher...

Kanzler sieht keine Parallelen
Berlin (dpd) Wie aus dem Kanzleramt verlautete, sehe der Kanzler keine Parallelen zu Weimar: "Erstens haben wir fast eine halbe Million weniger Arbeitslose als damals, zweitens ist die Fünf-Prozent-Klausel eine hinreichend hohe Hürde für obskure Sektenparteien, vor allem aber stehen wir unmittelbar vor dem Aufschwung."

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Der Steuertipp
Denken Sie als Kleingewerbetreibender oder teilweise Selbstständiger dran: Ab dem 1. Januar fällt die Umsatzsteuer-Freigrenze weg. Das heißt, Sie müssen künftig auch bei einem selbstständigen Jahreseinkommen unter 15.000 Euro die zwanzigprozentige Mehrwertsteuer auf Ihren Rechnungen aufführen.

Trotz erheblich gestiegener Verbraucherpreise nahm der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol gegenüber dem Vorjahr noch einmal erheblich zu. Eine Erklärung dafür haben die Marktforscher allerdings nicht.

VW erhöht Werksauslastung
Wolfsburg (dpa) Mit der Entlassung von 3000 weiteren Arbeitern möchte der Volkswagen-Konzern die Auslastung in den Werken Emden und Wolfsburg bis zum Jahresende wieder auf 60% bringen.

Verbot von Schülerzeitung rechtmäßig
Mannheim (wf) Laut einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes ist das vom Leiter einer Realschule angeordnete Verbot einer Schülerzeitung rechtmäßig. Der Rektor hatte das Verbot ausgesprochen, weil die Zeitung ein Interview mit Mitschülern veröffentlichte, die begründeten, weshalb sie nach der mittleren Reife keine Berufsausbildung machen wollten. Antworten wie "das ist ja eh sinnlos" seien nachhaltig geeignet, den Schulfrieden zu stören. Wer solcherart Perspektiven zerstöre, nehme bewusst ein zweites Erfurt in Kauf, so die Begründung der Richter. Über den Schulverweis der Zeitungsredakteure wird separat verhandelt.

...wurde mit großer Mehrheit beschlossen, Sozialhilfeempfängern kein Geld mehr auszuzahlen, sondern ihnen Essensgutscheine auszuteilen, eine Methode, die sich bei Asylbewerbern auch schon bewährt habe. Damit werde auch vermieden, dass sich Sozialhilfeempfänger unnützes Zeug anschaffen oder gar Drogen besorgen würden.

DaimlerChrysler zufrieden mit Auslandsnachfrage
Stuttgart (dpa) Nur den Exporten sei es zu verdanken, so DaimlerChrysler-Sprecher Wiedehopf, dass das Unternehmen mit einem Gewinn von knapp sechs Milliarden Euro und so mit einem blauen Auge davongekommen sei. Die Inlandsnachfrage tendiere hingegen nach wie vor schwächer, sodass die Konzernspitze nun ernsthaft in Betracht ziehe, Deutschland endgültig den Rücken zu kehren: "Es macht keinen Sinn, da zu produzieren, wo nicht gekauft wird." Alleine die Personalkosten ließen sich in Ungarn um fast 90% senken. Angst vor sinkender Qualität im Ausland hat man bei DaimlerChrysler nicht: "Neben den Produktionsanlagen nehmen wir selbstverständlich unser Know-how mit."

Autos immer unsicherer
München (pm) Laut einem Bericht des ADAC werden die Autos auf deutschen Straßen immer unsicherer. Aus falsch verstandener Sparsamkeit werden Reparaturen und Inspektionen immer weiter hinausgezögert oder gar nicht ausgeführt. Mehr und mehr nähme auch das Bastel-Unwesen zu, selbst bei Schäden an Bremsen oder Lenkung. Der ADAC geht davon aus, dass fast jedes zweite Auto inzwischen eine rollende Zeitbombe ist: "Das Überziehen des TÜV-Termins ist mittlerweile zum Allgemeindelikt geworden", so ein ADAC-Sprecher. Die Polizei soll – entsprechend geschult – künftig verstärkt ein Augenmerk auf solche Fahrzeuge haben. Geplant sei auch ein Gesetz, das es ermögliche, die betreffenden Fahrzeuge im Wiederholungsfalle ersatzlos einzuziehen.

F: Stimmt es, Herr Verteidigungsminister, dass junge Leute verstärkt nach einer Laufbahn bei der Bundeswehr fragen?
A: Ja, das ist richtig. Nachdem über viele Jahre hinweg der Dienst bei der Bundeswehr aus Trotz oder einer Mode heraus verweigert wurde, stehen junge Menschen heute bei uns Schlange. Ich muss zugeben, dass wir darüber keinesfalls unglücklich sind, denn neben zahlreichen Auslandseinsätzen stehen ja künftig vermehrt auch Einsätze im Inland an – da braucht es selbstverständlich entsprechend Personal.

In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Mitarbeiter Rüdiger Rammel. Rammel arbeitete seit 1996 für das Mannheimer Tageblatt. Zu seinen Spezialgebieten gehörten Enthüllungsreportagen. Sein letztes Projekt war die Recherche zu einer Explosion im Berliner Regierungsviertel, die er leider nicht mehr zu Ende bringen konnte. Rammel starb, 39-jährig, bei einem Autounfall auf eisglatter Straße. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.
Mannheim, im Juli 2006
Die Redaktion

...nimmt der Schmuggel von Waffen aus den ehemaligen Ostblock-Staaten zu. So wurden bei einer Routinekontrolle nahe Frankfurt/Oder drei Maschinenpistolen des Typs...

Einbruch bei Aldi
Pforzheim (cl) Ein Einbruch in der Aldi-Filiale an der Bundesstraße wurde gestern morgen der Polizei gemeldet. Die Diebe waren durch ein Oberlicht eingedrungen und hatten größere Mengen Lebensmittel entwendet. Offenbar kannten sich die Täter in den Verkaufsräumen gut aus. Wie ein Aldi-Sprecher mitteilte, sollen die Märkte künftig stärker gesichert werden, möglicherweise auch durch Wachpersonal.

...wie erwartet, sank die Kriminalitätsrate in den Innenstädten durch die Kameraüberwachung, allerdings stieg sie in den Randgebieten überproportional an. Die Polizei fordert nun eine flächendeckende Überwachung, auch in Kleinstädten, da sich sonst die Kriminalität aus den gut überwachten Großstädten dorthin verlagern würde.

Rammel-Witwe in Nervenheilanstalt
Mannheim (ak) Julia Rammel (37), Witwe des tödlich verunglückten Tageblatt-Mitarbeiters Rüdiger Rammel, wurde vergangenen Dienstag in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie des Universitätsklinikums eingewiesen. Offenbar litt sie, bedingt durch den Tod ihres Mannes, an Paranoia. So versteifte sie sich darauf, dass aus dem Autowrack ihres Mannes ein Laptop sowie persönliche Unterlagen entwendet worden seien.

...haben mittlerweile 68 %, also über zwei Drittel aller Arbeitslosen, ihre als Altersversorgung eingerichteten Lebensversicherungen gekündigt. Um diese Verluste auszugleichen, kündigte die Versicherungswirtschaft "deutliche" Prämienerhöhungen an.

Brandanschlag: Erster Verdacht
Karlsruhe (dpa) Nach dem Brandanschlag auf das Karlsruher Arbeitsamt fand die eingesetzte Sonderkommission offenbar erste Spuren. Sie weisen dem Vernehmen nach zu islamistischen Kreisen, möglicherweise Mitgliedern von Al Qaida. Bekanntlich wurde in der Nacht zum Sonntag eine benzingefüllte Schnapsflasche durch ein Erdgeschoss-Fenster geworfen.

...wurde der Bundestagsabgeordnete Hempflinger beim Besuch eines Altersheims grundlos von mehreren, offenbar geistig verwirrten, Senioren angegriffen. Einer 87-jährigen gelang es, Hempflinger mehrere Ohrfeigen zu verabreichen, ehe der Sicherheitsdienst einschreiten konnte.

...wird das Gesetz, das vor einigen Jahren noch gescheitert war, nun rechtskräftig. Künftig können also auch Pfarrer, Rechtsanwälte, Journalisten und Ärzte in ihren Räumen abgehört werden.

F: Angenommen, Sie gewinnen die Wahl...
A: Was heißt hier "angenommen"?
F: Wenn Sie also die Wahl gewinnen, was werden Ihre ersten Schritte sein, um Deutschland wieder dahinzubringen, wo es einmal war?
A: Das ist ganz einfach. Mehr Gewinn für die Unternehmen, höhere Löhne für die Werktätigen. Die Erzeuger müssen wieder vernünftige Preise für Lebensmittel bekommen. Dass für die Verbraucher die Preise sinken müssen, ist ganz klar. Damit kommt der Aufschwung zwangsläufig. Um den Binnenmarkt zu stärken, müssen Produkte von außerhalb der EU deutlich teurer werden. Und wir dürfen natürlich nicht vergessen, den Export zu stärken. Umweltaspekte müssen natürlich erst einmal außen vor bleiben, das bremst die Wirtschaft unnötig.
Dies in Verbindung mit einem Mehr an Zucht und Ordnung, Disziplin und Kampfgeist wird Deutschland wieder dahin bringen, wo es einmal war. Solch ein Aufschwung wird natürlich den Neid anderer Nationen mit sich bringen. Vernachlässigen wir also nicht das Militär.
Und, bevor ich's vergesse, die Ausländer müssen raus, die den braven deutschen Bürger um Lohn und Brot betrügen. Dies wird zu unseren vorrangigen Aufgaben gehören.
F: Sieg Heil und herzlichen Dank für das Interview.

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