© Eric Fricke
Die Schornsteine rauchen...
Als nach dem 2. Weltkrieg die Wirtschaft wieder in Gang kam, rauchten
die Schornsteine. Was heute nur mehr eine bildhafte Umschreibung
ist, war damals noch giftige Realität. Es gab keine Abgasvorschriften
oder Filteranlagen. Das Ruhrgebiet war von einem permanenten Dunstschleier
bedeckt; das einzige, was gefiltert wurde, war das Sonnenlicht.
Entsprechend sahen die Häuser aus eine frisch gestrichene
Fassade hatte längstens binnen Jahresfrist wieder einen kräftigen
Stich ins Graue. Nicht ganz so dramatisch war es im Rest der Republik,
aber auch dort sorgte die Industrie für einen gewaltigen
Schadstoffausstoß nicht nur in die Luft, sondern
auch ins Wasser. Ob Rhein, Elbe oder Ruhr durch die Flussbetten
wälzte sich eine Chemiebrühe, die selbst unempfindliche
Fische nicht überlebten. Wer das Risiko einging, in einem
Fluss zu baden, konnte sicher sein, anschließend mit flächendeckenden
Hautausschlägen aus dem Wasser zu steigen. Dazu kam der zunehmende
Straßenverkehr: Kaum ein Mittelklassewagen, der keinen zweistelligen
Verbrauch hatte. Ein Begriff wie "Katalysator" war allenfalls
Chemikern bekannt; da das Benzin große Mengen an Blei enthielt,
hätte eine solche Abgasreinigung ohnehin nicht lange überlebt.
Einspritzmotoren waren die Ausnahme, so entließen die Auspuffrohre
neben den Verbrennungsprodukten auch reichlich schlecht verbrannte
Rückstände. Zu große Treibstoffmengen beim Beschleunigen
wurden vom Vergaser über einen Schlauch auf den Auspuffkrümmer
entsorgt oder landeten direkt auf der Fahrbahn. Wirklich dicht
waren die Motoren der damaligen Fahrzeuge auch selten und eingekapselt
auch nicht, sodass das Öl der geparkten Autos munter auf
die Straße tropfte oder in einen Gully. Die Einstellung
der Motoren erfolgte häufig nach Gehör, im Idealfall
in Verbindung mit einem Stroboskop. Bis in die Sechzigerjahre
war auch der Anteil an Zweitaktern vergleichsweise hoch; da musste
das Gemisch nur eine Idee zu fett angesetzt gewesen zu sein, um
einen DKW schon von Weitem an einer gewaltigen blauen Rauchwolke
zu erkennen wenn man ihn nicht schon vorher hörte,
denn die damaligen Autos waren laut. Die Dunstschleier, die an
manchen Tagen über dicht befahrenen Kreuzungen lagen, stammten
auch von Asbestbremsbelägen. Das Benzin war billig, entsprechend
lagen die Jahresfahrleistungen der deutschen Autofahrer bei fünfzehn-
oder zwanzigtausend Kilometern. Die Ölwechselintervalle lagen
in der Regel bei 5.000 Kilometern, die so anfallenden großen
Altölmengen wurden von den Werkstätten im Winter gerne
als Heizmaterial verwendet ohne jegliche Aufbereitung,
versteht sich. So wurde munter Dioxin aus den Kaminen geblasen.
Die verhältnismäßig kurze Lebenszeit der damaligen
Autos sorgte in Verbindung mit einer hohen Kaufkraft zu einem
rapiden Anwachsen der Autofriedhöfe, deren Böden von
Öl, Treibstoffresten und Batteriesäure getränkt
waren eine Mischung, die früher oder später im
Grundwasser landete.
...heute kaum mehr
Auch das Handwerk hantierte bedenkenlos mit Chemie und entließ
Tonnen von Lösungsmitteln in die Luft. Aus Lackierereien
nebelten, von keiner Absauganlage gehindert, giftige Partikel.
Gewerbemüll wurde auf die Deponie gekarrt, ohne Kontrolle
flogen dort Lackreste und abgefahrene Autoreifen vom Laster, wo
sie schon mal von einem der häufig auf den Müllhalden
brennenden Feuer in schwarzen, fettigen Rauch verwandelt wurden,
der kilometerweit zu riechen war. Tausende Tonnen Haarspray sorgten
bei den Frauen für Frisuren von zuckerwatteähnlicher
Beschaffenheit, öl- und kohlebefeuerte Heizungsanlagen verteilten
Schwefel in der Atmosphäre. Insgesamt lag die Feinstaubbelastung
in der alten Bundesrepublik in den Sechzigern bei gut vierzig
Millionen Tonnen pro Jahr.
Inzwischen hat sich glücklicherweise eine Menge getan. Die
Industrie darf nicht mehr uneingeschränkt ihren Dreck in
die Luft pusten. Die Feinstaubbelastung ist erheblich reduziert,
die Flüsse sind so sauber wie schon lange nicht mehr. Der
Treibstoffverbrauch der Autos ist deutlich zurückgegangen,
hinzu kommt eine stark gesunkene und weiterhin sinkende Jahresfahrleistung.
Katalysatoren reduzieren den Schadstoffausstoß erheblich,
quasi als Nebeneffekt ist die Bleibelastung in den Städten
gesunken, da die Abgasreinigung auf bleifreies Benzin angewiesen
ist. Der Schwefelgehalt von Heizöl und Diesel wurde ebenfalls
drastisch reduziert. Asbest in Bremsbelägen ist tabu. Hochentwickelte
Schmieröle sorgen für längere Wartungsintervalle
und damit für kleinere Altölmengen. Die Auswirkungen
des verstärkten Umweltschutzes machten sich sogar im Ruhrgebiet
bemerkbar, das schon seit vielen Jahren nicht mehr von einer öligen
Schmutzschicht überzogen ist. All das ist erfreulich, aber
selbstverständlich kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.
Vieles ist noch verbesserungswürdig. Aber immerhin haben
vor allem die Städte in den letzten Jahrzehnten erheblich
an Lebensqualität gewonnen. Optimierungen des Verkehrsflusses
und ein vor allem in den letzten Jahren verstärkter
Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs haben ebenfalls
dazu ihren Beitrag geleistet. Hier geht die Entwicklung definitiv
in die richtige Richtung, was freilich die Diskussion um die Reinhaltung
der Luft keinesfalls beenden darf.
Hysterie und Konzeptlosigkeit
Erstaunlich jedoch, welche Hysterie um das Thema ausgebrochen
ist. Es begann mit dem Feinstaub. Umweltschützer hatten dabei
sofort ganz pauschal die zunehmend auf unseren Straßen verkehrenden
Dieselfahrzeuge im Auge, wobei geflissentlich übersehen wurde,
dass der gesamte Straßenverkehr gerade einmal für ein
Drittel der innerörtlichen Feinstaubbelastung verantwortlich
ist. Flugs wurden Fahrverbote gefordert, während Industrie
und Heizungsanlagen unbehelligt bleiben sollten. Dass die Fahrverbote
wohl schon in Kraft treten werden (Stuttgart will sie bereits
2006 einführen), während die Hersteller von Rußfiltern
immer noch auf die Vorgaben des Umweltministeriums warten, dürfte
bei manchem Dieselfahrer für Irritationen gesorgt haben.
Inzwischen hat aber die EU schon einen neuen Feind im Visier
das Stickstoffdioxid. Zweifellos ein gefährliches Gift, das
es zu reduzieren gilt, keine Frage. Die Lösung sieht so aus,
dass ab 2010 nur noch Fahrzeuge ab der Euronorm 2 in die Städte
dürfen, ab 2012 sind die Innenstädte auch für diese
tabu. Dies genügt aber nicht, um die Grenzwerte einzuhalten;
in Freiburg müsste dazu in der Schwarzwaldstraße ein
Fahrverbot für rund 37.000 Autos täglich ausgesprochen
werden. Dem BUND reicht auch das nicht: "Der Luftreinhalteplan
geht nicht weit genug."
Einfache Lösung?
Die kommenden Fahrverbote sind wieder einmal ein klassischer Fall
einer "einfachen Lösung": Verbietet man das Autofahren
in den Städten, wird die Luft sauber. Punkt.
Lassen wir einmal beiseite, dass es selbst in einer autofreien
Stadt keine völlig saubere Luft geben wird, solange Industrie
und Haushalte weiterhin für ihre Verschmutzung sorgen. Fragen
wir doch einmal, wie die Konzepte für autofreie Innenstädte
aussehen. Fragen wir einmal nach den entsprechenden Parkflächen
draußen vor der Stadt mit einer Anbindung durch öffentliche
Verkehrsmittel. Fragen wir einmal nach den Umfahrungsstraßen,
wo doch im Falle Freiburgs ausgerechnet die umstrittene Schwarzwaldstraße
einer der Hauptverkehrswege von der Rheinebene in den Schwarzwald
(und umgekehrt) ist. Welche Konzepte gibt es für Lieferanten,
welche für die plötzlich immobilen Innenstadtbewohner?
Dass darüber offenbar noch niemand nachgedacht hat, machte
Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg deutlich, der
meint, dass diese Maßnahmen eine "drastische, ja unrealistische
Änderung unserer gesamten Lebensverhältnisse erfordern"
(Zitat: "Der Sonntag"). Die angekündigten Fahrverbote,
für die es keine flankierenden Maßnahmen gibt, erinnern
daran, wie die Grünen vor etlichen Jahren gefordert hatten,
der Liter Benzin müsse fünf Mark kosten. Der naive Hintergedanke
dabei: Jeder würde sich, gezwungen durch den exorbitant hohen
Spritpreis, umgehend ein verbrauchsarmes Auto kaufen. Das käme
der Umwelt zugute, und die Bürger würde der Unterhalt
ihres Autos auch nicht mehr kosten. Leider waren die Grünen
seinerzeit nicht in der Lage, den Menschen zu verraten, wo sie
1. mal eben das Geld für ein neues Auto hernehmen sollten,
wenn der Sprit so teuer ist, und 2. wo sie ein Auto kaufen sollten,
das mit einem Bruchteil des Sprits bisheriger Fahrzeuge auskäme.
Grundsätzlich war die Idee so verkehrt nicht, nur leider
nicht zu Ende gedacht. Zum einen muss man den Leuten die Möglichkeit
geben, sich so ein Auto leisten zu können. Wer für den
Sprit fünf Mark oder zwei Euro fünfzig
zahlen muss, hat kein Geld mehr übrig, um sich einen Neuwagen
mit entsprechender Technologie leisten zu können. Auf diese
Weise macht man die Mobilität zum Privileg der Reichen. Eine
Möglichkeit wäre, die Einkommenssteuer entsprechend
zu senken oder sie ganz abzuschaffen. Dies entspräche auch
dem Grundgedanken der Steuer, nämlich zu steuern. Beispiel
Zigaretten: Vorgeblich soll ja mit der Tabaksteuer der Nikotinkonsum
verringert werden. Wird die Arbeit besteuert, kann man daraus
folgern, dass diese reduziert werden soll. In Anbetracht von rund
fünf Millionen Arbeitslosen scheint dies ja durchaus gelungen
zu sein. Fällt die Steuer auf die Arbeit weg und wird statt
dessen die Energie entsprechend besteuert, ist dies zunächst
einmal für den Verbraucher kostenneutral. Allerdings bietet
sich für ihn ein gewaltiges Sparpotenzial, das er sich auch
erschließen kann. Zunächst muss er natürlich investieren,
aber er ist immerhin noch in der Lage, sich trotz der hohen Spritpreise
ein neues Auto mit möglichst niedrigem Verbrauch zu kaufen,
ohne dass er das alte gleich zum Schrottplatz bringt. So weit
die Theorie.
Alternative Antriebe: Nur
Alibis?
Leider sind unsere Politiker so kreativ wie die Außerirdischen
in dem Stephen-King-Roman "Tommyknockers", die in einer
amerikanischen Kleinstadt ihr Unwesen trieben. Sie verfügten
nämlich über die Möglichkeit, aus Taschenlampenbatterien
große Mengen Energie zu erzeugen. Im Elektrizitätswerk
und in den umliegenden Ortschaften ahnte man bald, dass etwas
nicht stimmen konnte, da die Kleinstadt plötzlich keinen
Strom mehr vom E-Werk bezog und überall rundum die Batterien
ausverkauft waren. Die Aliens waren schlicht zu blöde, um
ihre kleinen Strommengen aus der Steckdose zu ziehen und zur Tarnung
noch ein paar Lampen brennen zu lassen. Sie hatten ein Konzept,
das sie gnadenlos durchzogen, und weil es zu funktionieren schien,
verschwendeten sie keinen Gedanken mehr an Nebenwirkungen. Ähnlich
verhält sich die Autoindustrie, die offensichtlich nicht
der Mineralölindustrie zu nahe treten möchte. Verbrauchsarme
Konzepte wie der Hybridantrieb werden allenfalls bei Kleinstwagen
realisiert. Reine Elektroautos gibt es so gut wie nicht, obwohl
Ferdinand Porsche bereits vor fast hundert Jahren ein entsprechendes,
noch heute von Ingenieuren hochgelobtes Modell gefertigt hatte,
den Lohner-Porsche, der sogar mehrere Rennen gewann. Vor sicher
zwanzig Jahren stellte General Motors einen attraktiven Prototypen
mit Elektroantrieb vor, der über 200 Stundenkilometer schnell
war. Leider war das Fahrzeug ausschließlich auf hohe Beschleunigung
und Geschwindigkeit getrimmt, sodass die Batterien spätestens
nach hundert Kilometern leer waren wohl auch nur ein Alibiprojekt.
Natürlich löst ein Elektroauto nicht grundsätzlich
die Umweltprobleme irgendwo muss die benötigte Energie
erzeugt werden. Aber ein stationäres Kraftwerk lässt
sich in seinem Emmissionsausstoß mit entsprechenden Filtertechniken
besser in den Griff bekommen, zudem verteilt es den Dreck nicht
direkt innerhalb von Wohngebieten. Wasserstoff? Angeblich frühestens
in zehn Jahren marktreif. Erst muss noch gründlich erprobt
und getestet werden. Einstweilen begnügt man sich damit,
halbgare Autos auf den Markt zu bringen, die der Kunde gründlich
erproben und testen darf.
Alle Last dem Volk
Nach wie vor scheint es die einfachste Lösung zu sein, dem
Verbraucher, hier konkret dem Autofahrer, alle Lasten und Kosten
für den Umweltschutz aufzubürden. Leider sieht sich
der Verbraucher in der misslichen Lage, seinen Beitrag nicht mehr
in der gewünschten Form leisten zu können, weil er das
Geld dazu nicht hat. Zudem haben gerade die letzten zehn Jahre
ihm immer wieder gezeigt, dass jede Entscheidung für einen
angeblich zukunftsträchtigen und umweltfreundlichen Fahrzeugtyp
eine Fehlentscheidung war. Dieselfahrzeuge galten als sauber und
sparsam, bis die Zulassungszahlen gestiegen waren. Dann waren
es Dreckschleudern, die steuerlich bestraft wurden. Dann kam der
Diesel mit Kat, sauber und, dank Direkteinspritzung, noch sparsamer.
Wieder folgten Lobeshymnen, wieder stiegen die Zulassungszahlen
und der Zeitpunkt näherte sich, wo man wieder ein
Haar in der Suppe fand: den Dieselruß. Es kam der Rußfilter,
gegen den sich die deutsche Autoindustrie vehement wehrte
mit kräftiger Unterstützung aus dem Bundeskanzleramt.
So ist es bis heute schwierig, wenn nicht unmöglich, selbst
für gängige Modelle einen Nachrüstfilter zu bekommen.
Man müsste sich im Grunde alle drei Jahre ein neues Auto
anschaffen, um mit den Umweltanforderungen Schritt halten zu können
und wer kann das? Im Gegenteil: Inzwischen hat der Trend
zur Sparsamkeit selbst auf das Auto übergegriffen
vor ein paar Jahren noch undenkbar. Werkstätten und TÜV
klagen unisono über zunehmenden Verzicht auf Inspektionen
und sogar Reparaturen. Die Autos auf Deutschlands Straßen
werden immer älter. Wer mag sich schon in Zeiten wirtschaftlicher
Unsicherheiten ein neues Auto kaufen? Wer kann es sich leisten,
wo alles andere teurer wird? Selbst wer in Lohn und Brot steht,
ist vorsichtig. Angenommen, man kauft ein neues Auto für
20.000 Euro und wird zwei Jahre später arbeitslos. Ein Jahr
später gerät man in die Mühlen von Hartz IV, und
dann besitzt man ein drei Jahre altes Auto im Werte von 12.000
Euro, das man verkaufen muss. Folglich fährt man seinen Wagen,
bis er auseinander fällt, damit man im Falle eines Falles
nicht enteignet wird Stand der Technik hin oder her. Noch
ist das Urteil des Sozialgerichts Detmold nicht rechtskräftig,
demzufolge man ein Mittelklasseauto mit durchschnittlicher Motorisierung
ohne Anrechnung auf ALG II behalten darf.
Einfache Lösungen funktionieren nicht. Wer für Fahrverbote
in den Städten plädiert, hat auch über die wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und sozialen Konsequenzen nachzudenken und
entsprechende Ideen zu präsentieren.
Es wird niemand leugnen können, dass ein drastisch reduzierter
Verkehr die Städte in ihrer Funktion und in ihrem Stellenwert
erheblich verändert und sei es ausschließlich
positiv. Selbst in diesem Fall würde die Politik nicht umhinkommen,
entsprechende Konzepte zu erarbeiten. So jedoch hat man einmal
mehr das Gefühl, unsere Politiker seien einem Raumschiff
entstiegen. "Tommyknockers" eben.
18_07_05