© Eric Fricke
Polizeischutz
fürs Sozialamt
Ist
es nicht ein schönes Gefühl, Recht zu bekommen? Man wirft ein paar
Theorien in die Runde, wagt ein paar Prognosen und wird prompt von berufener
Stelle bestätigt. Nun, Freunde und Nachbarn, manchmal fühlt man sich
überhaupt nicht gut dabei.
Schon mehrfach habe ich in meinen Artikeln die politischen Gefahren des Neoliberalismus beschrieben. Neulich unterhielt ich mich mit einem Gewerkschafter, der mir berichtete, mehrere Funktionsträger hätten geäußert, bei den nächsten Wahlen die Republikaner ankreuzen zu wollen. Nicht, weil man sich in irgend einer Weise mit dieser Gruppierung oder ihren Zielen identifiziere, sondern um den Regierenden einen Denkzettel zu verpassen. Wahrlich ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Da empfehle ich doch lieber den im ersten Teil von "Zur (P)Lage der Nation" beschriebenen Wahlboykott durch Ungültigmachen des Stimmzettels.
Offensichtlich befürchte ich auch nicht als Einziger, dass die Stimmung in Deutschland gewalttätig werden könnte. Ich zitiere eine AP-Meldung vom 15. Juli 2004:
Polizeigewerkschaft
warnt vor Übergriffen wegen Hartz IV
Berlin (AP) Angesichts der bevorstehenden Arbeitsmarktreformen hat die Gewerkschaft
der Polizei (GdP) vor sozialen Spannungen gewarnt. Man rechne damit, dass Sozialämter
und Arbeitsagenturen zu Beginn des kommenden Jahres Polizeischutz beantragen
würden, erklärte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg am Donnerstag
in Berlin. "Viele der Betroffenen haben noch gar nicht begriffen, dass
sie künftig viel weniger oder gar keine Unterstützung mehr bekommen
werden."
Freiberg rechnet nach eigener Aussage mit einer Störung des "sozialen
Friedens" in Deutschland. In Ländern mit einer großen Kluft
zwischen Armen und Reichen sei auch die Sicherheit gefährdet. "Extreme
politische Positionen werden Zuspruch erhalten, Demonstrationen nicht immer
friedlich verlaufen", erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende.
Die auch Hartz IV genannte Reform tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Kernpunkt
ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen
Grundsicherung. Prinzipiell gilt dann jede legale Arbeit als zumutbar, auch
wenn sie deutlich unter Tarif bezahlt wird. Von den Arbeitslosen wird mehr Eigeninitiative
und Verantwortlichkeit verlangt.
Scharfmacher
Dieter Hundt
Ja, ist es denn ein Wunder? Während eine kleine Clique Reicher immer mehr
scheffelt, besteht für zwei Drittel der Bevölkerung ein Armutsrisiko
und muss sich dabei noch von Scharfmachern wie dem Arbeitgeberpräsidenten
Dieter Hundt verspotten lassen. Jener Dieter Hundt, der Elitedenken bereits
für die Grundschule fordert, aber dafür plädiert, dass sich Auszubildende
eine Lehrstelle (und damit natürlich die Vergütung) teilen. Und wenn
ein angehender Azubi aus Flensburg keine Lehrstelle dort kriegt, soll er gefälligst
nach Ulm ziehen. Dort soll er dann wohl von seinem halben Lehrlingsgehalt leben.
Aber warum nicht drei, vier oder noch mehr Lehrlinge pro Stelle? Aber um künftig
bei einer deutschen Firma arbeiten zu können, muss man sowieso bald nach
Ungarn, da sind ja auch die Lebenshaltungskosten günstiger, nicht wahr?
Man muss sich halt eine günstige Wohnung suchen, damit die fünf Euro,
die man dann noch kriegt, auch reichen. Vielleicht 'ne WG mit den anderen Azubis?
Wie aus Kreisen des Arbeitgeberverbandes verlautete, müssen die jungen
Leute in Zukunft überhaupt viel flexibler werden; man werde sich generell
darauf einstellen müssen, einen Job im Ausland zu suchen. In Deutschland
bleiben dann noch ein paar verhungernde Rentner, aber was interessiert die Bosse
schon unser Land? Der Rubel muss rollen, da kann man doch nicht noch Rücksicht
drauf nehmen, was zwischen Rhein und Oder sozial, gesellschaftlich und familiär
den Bach runtergeht.
Ohrfeigen-Kandidat
Freunde und Nachbarn, ich habe schon
einmal gewarnt: Die Kanzlerohrfeige war nur der Anfang. Aber da auf mich
ja kein Schwein hört, vermute ich mal, dass sich die Leute mit richtig
dick Kohle bald in ihren Villen einbunkern werden und sie nur noch mit Personenschutz
verlassen. Wollen wir da wirklich hin? Was mir übrigens auch noch keiner
erklären konnte: Was reitet die Bosse eigentlich, dass die hier einen Markt
mit 80 Millionen Verbrauchern ruinieren? Aber ein gewisses Maß an Schizophrenie
scheint in den Chefetagen ohnehin verbreitet zu sein: Man will eine tolle Infrastruktur
in Deutschland, beste Schulen und Universitäten aber Steuern zahlen,
na, das nun lieber doch nicht. Aber solche Argumente sind ja reine Polemik.
Sagt jedenfalls Dieter Hundt. Und er sagt auch, es sei kein Druckmittel, wenn
ein Unternehmen die Belegschaft vor die Alternative stellt, sich für eine
Produktionsauslagerung ins Ausland oder für Lohnkürzungen zu entscheiden.
Dahinter, so Hundt, steht nichts als das hehre Bemühen, die Arbeitsplätze
in Deutschland zu belassen. Allerdings erzählt er in Interviews auch schon
mal, ein deutscher Unternehmer müsse 50 Millionen Euro investieren, um
einen Euro Umsatz zu machen. Wenn ich mal von 20 Cent Gewinn ausgehe, muss der
arme Hundt also erst mal 12500000000000 Euro investieren, bevor er sich einen
neuen Mercedes kaufen kann. Kein Wunder, dass es in Deutschland bergab geht.
Schön zu sehen, wie er sich windet, wenn man Hundt auf das Steuergefälle
in der EU anspricht: Es sei ja wohl Sache der einzelnen Länder, wie Unternehmen
besteuert würden. Begeisterung für einen EU-einheitlichen Mindeststeuersatz
kann er da natürlich nicht aufbringen, logisch, denn er schließt
ja selbst nicht aus, dass sein Unternehmen, die Allgaier-Werke, künftig
im Osten produziert. Immerhin sei ja die Gewinnquote der deutschen Unternehmen
in den letzten Jahren wieder zurückgegangen. Dazu, dass sie sich in den
letzten 25 Jahren verdoppelt hat, während gleichzeitig die Unternehmenssteuern
gesenkt wurden, mag er sich aber nicht so recht äußern.
Unvergessen auch jener Ausfall Hundts, als er forderte, für die ersten
vier Wochen kein Arbeitslosengeld zu zahlen, um die Motivation zur Arbeitssuche
zu erhöhen. Wer angesichts der zunehmend angespannteren Lage solche Parolen
vom Stapel lässt, darf sich nicht wundern, wenn er sich dadurch zum nächsten
Ohrfeigen-Kandidaten macht. Freunde und Nachbarn, bringen wir's nochmal auf
den Punkt: Der Polizei geht die Muffe, weil es womöglich demnächst
hier kracht!
Da kann ich den Beamten nur einen Tipp geben: Wenn Ihr die Situation entspannen wollt, verhaftet Dieter Hundt!