Kleintransporter: Mehr Steuer als ein Cadillac

 

© Eric Fricke

Nein, sprechen wir heute mal nicht darüber, dass das Finanzamt rund zwei Drittel des Gewinns meines selbstständigen Nebenjobs als Vorauszahlung überwiesen haben möchte, oder darüber, dass ich mich allmählich frage, ob ich es mir noch leisten kann, nebenher zu arbeiten. Nein, sprechen wir über Autos, schließlich ist gerade die IAA im Gange. Sprechen wir darüber, dass das Finanzministerium monatelang angekündigt hatte, SUVs und Luxusgeländewagen nicht mehr nach Gewicht, sondern nach Hubraum und Schadstoffausstoß zu besteuern. Und dagegen, Freunde und Nachbarn, kann ja kein Mensch ernsthaft etwas haben, oder? Inzwischen ist die Tragweite dieser Gesetzesänderung bekannt – betroffen sind nämlich nicht nur ein paar SUVs, sondern auch mehrere Millionen Nutzfahrzeuge: Kleintransporter, wie sie der Bäckermeister oder der Blechner fährt, Fahrzeuge, mit denen Großfamilien und Pfadfinder durch die Gegend kutschieren. Etliche dieser Fahrzeuge sind schon etwas älteren Jahrgangs, klar, ein halbwegs gewarteter Transporter bringt es locker auf eine Lebensdauer von fünfzehn oder zwanzig Jahren; man schaue sich nur mal die vielen Ducatos der ersten Generation an, die noch auf unseren Straßen unterwegs sind.

Über Monate hinweg, bis eine Woche vor Inkrafttreten des Gesetzes, war das Finanzamt Emmendingen nicht in der Lage, mir Auskunft darüber zu geben, wie die Besteuerungsgrundlage für meinen Citroën Jumper, der mit einem Verbrauch zwischen 8,2 und 9 Litern weit entfernt vom Durst eines ausgewachsenen Geländewagens ist, künftig aussehen würde. Anfang Juli, also über einen Monat nach dem Inkrafttreten, beschied man mir telefonisch, aufgrund der Besitzstandswahrung bliebe für mich alles beim Alten: "Da brauchen Sie sich um nichts zu kümmern, Ihr Fahrzeug wird weiterhin nach Gewicht besteuert." Das war angenehm, denn bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2850 kg bedeutete das eine jährliche Steuer von 172 Euro. Und genau dieser Betrag wurde mir zum Stichtag auch abgebucht. Die Freude währte indes nicht lang, denn einige Wochen später flatterte mir ein neuer Steuerbescheid in den Briefkasten: Das Fahrzeug werde, rückwirkend zum ersten Mai, nicht mehr als LKW, sondern nach Hubraum besteuert. 1905 Kubikzentimeter, das sind steuerlich zwei Liter, macht summa summarum 547 Euro im Jahr. Übrigens darf, was den wenigsten bekannt sein dürfte, die KFZ-Steuer jederzeit um ein Jahr rückwirkend erhöht werden. Erschreckender fand ich indes die Auskunft des Finanzbeamten, dass aufgrund einer "Weisung von oben" (deutlicher wollte er nicht werden) die zu erwartenden Einsprüche nicht bearbeitet werden dürften.

Es folgte eine Fahrt zum TÜV: Ob es möglich wäre, das bislang als PKW zugelassene Auto als LKW anzumelden. Der Meister hantierte mit dem Zollstock und deklarierte das Auto zum Grenzfall: Mit gutem Willen nähme der Laderaum bis zur hinteren Sitzbank gerade mal fünfzig Prozent der gesamten nutzbaren Innenlänge ein. Ihm hätte das genügt, dem zuständigen Ingenieur nicht. Das Auto erfülle zwar sonst sämtliche Kriterien eines LKWs, nur die Sitzbank müsste halt zehn Zentimeter weiter vorn stehen... Nebenbei, es handelt sich um eben jenen Fahrzeugtyp, um den unlängst heftige Diskussionen um eine Geschwindigkeitsbegrenzung entbrannt waren, da Transporter technisch und im Fahrverhalten LKWs entsprächen. Und unter anderem genau diese Begründung dient dem Finanzministerium dazu, Wohnmobile weiterhin nach Gewicht zu besteuern...

Also zur TÜV-Hauptstelle gefahren. Mal den ehemaligen Kollegen meines Vaters Hallo sagen. Soziale Kontakte pflegen und so. Große Freude in der Dienststelle, allgemeines Händeschütteln und Schulterklopfen, aber: "Nee, du, die zehn Zentimeter, die fehlen halt. Kannst höchstens hinten noch ein Stück dranschweißen, dass der Laderaum länger wird." Sehr witzig. Aber auf der anderen Seite doch erfreulich, dass beim unbestechlichen TÜV auch der Sohn vom ehemaligen Hauptkassierer nicht bevorzugt wird. Man zog aber immerhin einen Ingenieur zu Rate, der meinte: "Selbst wenn wir da einen LKW draus machen würden – das Finanzamt würde es nicht anerkennen." Das mag einen Laien durchaus verwundern, aber in der Tat sind die Finanzämter nicht an die Zulassung gebunden, sondern können nach Gutdünken entscheiden. Einige Beispiele dafür, was für Blüten das teilweise treibt, erzählten mir die beiden Fachleute unaufgefordert: Der Meister berichtete von zwei Werkstattwagen eines Handwerkers, die er begutachtete. Die rundum verglasten Transporter sollten zu LKWs umgeschrieben werden. Beide Fahrzeuge waren mit Schränken und Werkbänken ausgerüstet und somit definitiv nicht mehr zum Personentransport geeignet. Auch der zuständige Ingenieur kam zum Schluss, dass beide Fahrzeuge uneingeschränkt die technischen Voraussetzungen zur LKW-Umschreibung erfüllten. Nun kam das Finanzamt an die Reihe. Das eine Fahrzeug, ein ansonsten identisch ausgestatteter Benziner, wurde anstandslos als LKW anerkannt. Der andere Transporter war ein Diesel, und damit gingen die Probleme los. Zuerst wurde die Verglasung moniert. Irgendwann sah das Finanzamt ein, dass in einem Werkstattwagen (im Gegensatz zu Behörden) gearbeitet wird und dass hierfür auch Licht vonnöten ist. Daraufhin wurden die – vom TÜV abgesegneten! – Befestigungen der Schränke beanstandet: Das Finanzamt bestand darauf, dass der Fahrzeugboden zusätzliche Verstärkungsbleche erhalten müsse. Wenn sich das Finanzamt schon so in die technischen Belange einmische, grummelte der TÜVler, müsse man sich schon fragen, wozu man denn den TÜV noch brauche. Bei manchen LKW-Zulassungen besteht der TÜV auf einer Trennwand zwischen Laderaum und Fahrerhaus. Sie muss mindestens bis zur Oberkante der Fahrersitzlehne reichen. Das Finanzamt besteht auf einer Trennwand bis unters Dach. Bei manchen Transportern ist eine LKW-Zulassung nur ohne Verglasung möglich. Dem TÜV genügt in diesen Fällen das blickdichte Lackieren der Fensterscheiben. Das Finanzamt aber besteht darauf, dass Bleche eingesetzt werden. Kein Wunder, wenn man sich vergegenwärtigt, dass durch den teilweisen Wegfall der Gewichtsbesteuerung 200 Millionen Euro Mehreinnahmen erwartet werden. Da wehrt sich das Finanzamt mit Zähnen und Klauen gegen jede LKW-Umschreibung, vor allem, wenn es sich um Dieselfahrzeuge handelt. Soviel dazu, dass von der geänderten Gesetzeslage ausschließlich irgendwelche Bonzen mit drei Tonnen schweren Luxus-SUVs mit 30 Litern Verbrauch betroffen sein sollen. Vielleicht sollte ich mir einen Cadillac kaufen? Dafür zahlt man nämlich, trotz eines Verbrauchs zwischen 18 und 24 Litern, nicht einmal die Hälfte der Steuer eines sparsamen Kleintransporters.

Aber der teilweise Wegfall der Gewichtsbesteuerung ist nur ein Beispiel für Gesetzesänderungen, deren Konsequenzen schlicht nicht zu Ende gedacht werden. Weitere werden folgen. Es geht zur Zeit eine Meldung durch die Presse, dass auch bei uns, nach skandinavischem Vorbild, am Tage mit Licht gefahren werden soll. Zunächst auf freiwilliger Basis, später soll es dann eine gesetzliche Regelung geben. Auf den ersten Blick hat sich der Gesetzgeber tatsächlich etwas dabei gedacht: Ein beleuchtetes Auto ist in der Tat besser und auch früher zu erkennen, was die Sicherheit erhöht. Das ist der Grund, weshalb Motorräder, die wegen ihrer schmalen Silhouette schlechter zu erkennen sind, stets mit Licht unterwegs sind. So weit, so gut. Man könnte vielleicht argumentieren, dass bei uns in der Regel die Licht- und Sichtverhältnisse besser als in Skandinavien sind. Aber wenn die Unfallquote sich dadurch tatsächlich weiter senken lässt, soll es ja recht sein. Nun fangen wir aber mal an zu rechnen: In der Bundesrepublik gibt es rund 50 Millionen Kraftfahrzeuge. Gehen wir davon aus, dass die im Schnitt jeweils 15.000 Kilometer im Jahr zurücklegen. Kalkulieren wir äußerst großzügig, dass die Hälfte davon in der Nacht oder bei schlechten Lichtverhältnissen zurückgelegt wird, wo man ohnehin das Licht einschalten muss. Dann sind das pro Auto 7.500 Kilometer im Jahr, in denen zusätzlich mit Licht gefahren werden muss. Der erhöhte Spritverbrauch durch das eingeschaltete Licht liegt bei etwa 0,2 Litern auf hundert Kilometern. Daraus ergibt sich pro Fahrzeug ein zusätzlicher Verbrauch von 15 Litern im Jahr. Das ist sicher, in Relation zum Sicherheitsgewinn, für jeden akzeptabel. Aber: In ganz Deutschland erhöht sich damit der Treibstoffverbrauch jährlich um 750 Millionen Liter. Freilich wiegen selbst diese riesigen Mengen kein Menschenleben auf, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Maßnahme eben auch eine Kehrseite hat. Und darüber liest man erstaunlicherweise in der Presse überhaupt nichts. Es mag zynisch klingen, aber im Grunde müsste man sogar aufrechnen, wieviele Menschenleben durch das am Tage eingeschaltete Licht gerettet werden – und wieviele, anteilig gerechnet, durch die Zunahme der Luftverschmutzung und des Treibhauseffektes sterben werden. Aber solche komplizierten Gedankengänge erwarte ich von unseren Politikern schon lange nicht mehr.

Wie weit auch die Automobilindustrie davon entfernt ist, an der Lösung solcher Probleme mitzuarbeiten, verdeutlicht der VW-Konzern. Offenbar brauchen wir derzeit nichts dringender als einen Bugatti mit über 1.000 PS, einem Leergewicht von gut zwei Tonnen, einer Höchstgeschwindigkeit von über 400 Stundenkilometern und – mit mehr als 25 Litern – dem dreifachen Verbrauch eines vollbeladenen Großraumtransporters. Die Produktion des sparsamen 3-Liter-Lupo wurde inzwischen eingestellt.

15_09_05

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