Schonzeit für Nazibilder?

© Eric Fricke

Es gibt wohl kaum einen Ort in Deutschland, an dem sich keine Nazi-Relikte finden lassen. Nicht immer lassen sie sich auf Anhieb als solche identifizieren. Die Nazi-Hinterlassenschaften, die man auf Waldkircher Gebiet findet, zeichnen sich indes durch eine charakteristische Braunfärbung und den typischen Bart aus: Es handelt sich um eine Gruppe, die zu einem Bestand von insgesamt etwa 900 Exemplaren aus der Familie der Rupicapra gehört, dem Laien auch als Gamswild bekannt. Die ursprünglich aus Österreich (!) stammenden Tiere wurden – unter der Schirmherrschaft von Reichsjägermeister (der nannte sich wirklich so) Hermann Göring – im Schwarzwald angesiedelt. So verbreiteten sie sich bis zu unserem schönen Berg Kandel.

Diese nationalsozialistische Umsiedelungsaktion dauerte bis in die Vierzigerjahre und endete im Zastlertal, wo etwa 250 – 300 Gemsen ihr Reich haben. Ursprünglich waren es etwa 500 Tiere, die jedoch wegen starker Verbissschäden bejagt wurden. "Hege" nennt man das in Fachkreisen. Sieg – Verzeihung, Waidmanns Heil!

Gehegt werden übrigens auch die Wandgemälde im Waldkircher Rathaus. Man erinnere sich: In den Achtzigerjahren wurde bereits heftig diskutiert, die aktuelle Auseinandersetzung läuft nun auch schon wieder ein gutes halbes Jahr. Mein erster Artikel zum Thema dürfte etwa zu Anfang des Jahres erschienen sein (nein, da schaue ich jetzt nicht nach). Und nun, Freunde und Nachbarn, wo alles in eine Richtung zu steuern schien, mit der jeder hätte leben können – Bilder weg, dafür einen (wie auch immer gearteten) "Denkanstoß" her – kommt der Paukenschlag: Die Schroeder-Schoenenbergschen Machwerke stehen unter Denkmalschutz! Es kommt noch besser: Genaues weiß keiner mehr, offenbar sind in der Verwaltung mehrere Fälle von Amnesie aufgetreten. Es sieht indes so aus, als bestünde der Denkmalschutz erst seit dem Ende der Diskussion in den Achtzigerjahren. Wer dafür aber verantwortlich war... sorry, keine Ahnung. Ist ja auch schon lange her, nicht wahr? Tja, aber jetzt ist es publik, Pech, dass man so eine ehrliche Haut als Pressesprecher hat, gell? Schöner wäre es gewesen, wenn Hubert Bleyer schon vor einem halben Jahr etwas gesagt hätte, aber es ist denkbar, dass auch er erst vor kurzem informiert wurde.

Auf die Gefahr hin, dass ich mit denjenigen, die das damals angezettelt haben, persönlich bekannt bin und sie mir daher künftig kein Bier mehr ausgeben werden: Die Sache ist ein Skandal!

Wohl aus Angst vor einer erneuten Diskussion, die vielleicht nicht mehr so schnell verebbt (und die ja nun auch, wenngleich mit reichlicher Verspätung, kam), wurde da still, heimlich und leise der Denkmalschutz auf die Nazipropaganda ausgedehnt. Soll mir bloß keiner erzählen, dass irgendwelche Wandaufträge immer mit unter Denkmalschutz stehen – sonst dürfte man in manch altehrwürdigem Waldkircher Gebäude nicht einmal mehr die Raufasertapete wechseln.

Die Gemsen am Kandel, die man durchaus als Nachfahren der Opfer nationalsozialistischer Umsiedelungspolitik betrachten könnte, dürfen während der Jagdsaison jederzeit erschossen werden. Die Propagandabilder im Rathaus aber stehen unter Denkmalschutz und genießen Schonzeit.

Herr, schmeiß Hirn runter!


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