Zu hohe Gehälter in der Autobranche?

© Eric Fricke

Tütensuppe als Schichtzulage
Jammern und Wehklagen, Heulen und Zähneklappern: Der deutschen Autoindustrie, dem Dreh- und Angelpunkt unserer Wirtschaft, geht es schlecht. Selbst die Verkaufszahlen des neuen Golf – immerhin des Deutschen Lieblingsauto – kommen nicht in die Gänge. Schuld daran sind, wie üblich, ausschließlich die Arbeitnehmer, die zu viel verdienen und zu wenig arbeiten. Ergo: Löhne runter, Arbeitszeiten rauf. Aber forschen wir doch einmal genauer nach, weshalb in Deutschland immer weniger Leute die angeblich besten Autos der Welt kaufen. Kurz auf den Punkt gebracht: Die Leute haben kein Geld, deutsche Autos kosten aber ein Vermögen. Ein Mazda oder ein Toyota ist nahezu unverwüstlich, während einheimische Fahrzeuge in den Pannenstatistiken ins Mittelfeld gerutscht sind. Die Franzosen bauen erstklassige Diesel mit Rußfilter, die deutschen Hersteller haben sich erst mit Händen und Füßen dagegen gewehrt und sprechen nun von einer Umstellung der Abgasreinigung der Motoren, die irgendwann im Jahre 2009 abgeschlossen sein soll – mit Rußfiltern, wie sie der französische PSA-Konzern schon lange einbaut.

Nun, deutsche Autos müssen teuer sein, weil die Produktion so viel kostet. Und die Produktion ist teuer, weil die Leute an den Bändern so viel verdienen. Logisch, oder? Aber werden die Montagearbeiter im Ausland etwa mit Essensgutscheinen bezahlt? Besteht die Schichtzulage aus einer Tütensuppe? Nun, sprechen wir nicht über die Schichtzulage bei DaimlerChrysler, die es ab 12 Uhr mittags gibt. Da fasst man sich schon an den Kopf, aber da hat sich die damalige Konzernführung drauf eingelassen. Aber mal anders: Wieso ist ein Opel Astra deutlich günstiger als ein Golf? Qualitativ sind die beiden Fahrzeuge ebenbürtig, in einigen Punkten hat der Astra die Nase sogar vorn. Verdienen die bei Opel so wenig? Oder ist es bei VW einfach so, dass man den Namen mitbezahlen muss?

Chinesen verteuern Maschendraht
Gibt es sonst eigentlich keine Kostenfaktoren bei der Autoherstellung? Die Stahlpreise zum Beispiel? Die sind gewaltig gestiegen, weil die Chinesen seit einiger Zeit alles aufkaufen, was aus Metall besteht. Ein Freund von mir wollte 50 Meter Maschendrahtzaun mit zwei Stahlgittertoren um seine Grundstücksecke ziehen. Nachdem die günstigste Kalkulation bei 5000 Euro lag, hat er von dem Vorhaben wieder Abstand genommen. Stets wurde ihm beschieden: "Sorry, das geht nicht billiger, weil die Stahlpreise so weit oben sind." Könnte es sein, dass dieser Faktor auch eine gewisse Rolle spielt, weil man zur Herstellung von Autos ja auch das eine oder andere Stück Blech benötigt? Nun gut, Renault baut den Espace aus Kunststoff, aber sprechen wir über Deutschland. Und kommen wir da doch noch einmal auf die Gehälter zurück. Die sind bei den deutschen Autoherstellern wirklich exorbitant hoch. Bei der Gehaltsrunde im Vorjahr stiegen sie bei DaimlerChrysler um 129%, bei Porsche um 57%, bei Audi um 28%, bei BMW um 16% und bei VW immerhin noch um 5%. Und dann macht die Belegschaft so ein Theater, wenn sie mal ein paar Euro weniger kriegen soll? Nun, es handelt sich hier natürlich nicht um die Gehaltserhöhungen der Arbeiter, sondern um die der Vorstände. Aber schimpfen wir nicht, die Vorstände erklären sich angesichts der miesen Lage natürlich solidarisch und verzichten auf einen Teil des Gehalts. Also, Asche auf mein Haupt, mea culpa und so weiter. Obwohl man sich nun natürlich fragen könnte, wen so ein Gehaltsverzicht mehr schmerzt – den Arbeiter am Fließband oder das Vorstandsmitglied, das in einem Jahr so viel verdient, dass sich der Arbeiter damit für den Rest seines Lebens zur Ruhe setzen könnte? Nein, um Gottes Willen, bloß kein Sozialneid! Natürlich soll so ein Vorstandsmitglied gut verdienen. Jürgen Schrempp hatte sich seine Gehaltserhöhung auf 3,9 Millionen Euro letztes Jahr redlich verdient, gelang es ihm doch zuvor, durch Werksschließungen die amerikanische Tochterfirma Chrysler aus der Verlustzone zu holen. Bravo! Die 26.000 Arbeiter, deren Stellen gestrichen wurden, haben sich bestimmt sehr darüber gefreut.

Nun, wie sehr liegt denn beispielsweise der VW-Konzern darnieder? Wie hoch sind denn die Verluste, die die Belegschaft ausgleichen muss? 100 Millionen? 500 Millionen gar? Volkswagen rechnet mit etwa 1,5 bis 2 Milliarden Euro. Wahnsinn! Katastrophe! Auf Leute, krempelt die Ärmel hoch! Na ja, eigentlich ist es so, dass VW dieses Jahr den Vorjahresgewinn von 2,5 Milliarden Euro steigern wollte, aber nun wird der Gewinn bei nur noch etwa 1,5 bis 2 Milliarden liegen. Gewinn, Freunde und Nachbarn! Jetzt wird aber VW eine Gewinnwarnung (was für ein Wort!) herausgeben und, au weia, da werden die Aktien bröckeln. Den Aktienmarkt interessiert es erst an zweiter Stelle, ob ein Unternehmen überhaupt Gewinn macht – in erster Linie muss er steigen!

Hartz IV – ein neues Modell aus dem Hause Volkswagen
Wie Sie, Freunde und Nachbarn, aus den Medien erfahren haben, wird es zu Beginn des Jahres 2005 für Arbeitslose ganz schön eng. Wer nach einem Jahr keinen Job hat, wird zum Sozialhilfeempfänger – das ist so, auch wenn man das euphemistisch als "Arbeitslosengeld II" bezeichnet. Und wenn es soweit ist, darf man sich von seiner Altersvorsorge und von seinen Barrücklagen trennen oder auch von seiner Eigentumswohnung, wenn diese eine bestimmte Größe überschreitet. Aber, wie unser Bundesgerhard so schön sagt, ohne Reformen geht es leider nicht. Wer hat denn nun diese Reformen erarbeitet? Das war die so genannte Hartz-Kommission. Und die heißt so, weil ihr ein gewisser Peter Hartz vorsteht. Peter Hartz... Peter Hartz... schon mal gehört, den Namen. Oh, was für ein netter Zufall, das passt ja so richtig zu unserem Thema! Peter Hartz ist nämlich Vorstandsmitglied beim Volkswagen-Konzern. Sie haben sich schon immer gefragt, warum die Reformen so einseitig daherkommen? Weshalb die Last nicht von allen gesellschaftlichen Gruppen, also auch von den Unternehmen, getragen wird? Meine Güte, sind Sie naiv – glauben Sie, der Peter Hartz sägt sich den Ast ab, auf dem er sitzt? Konsequent ist das irgendwie schon, weil er als Personalvorstand von VW dafür sorgen kann, dass genügend Leute in den "Genuss" von Hartz IV kommen. Ob die sich dann aber irgendwann mal wieder einen VW leisten können, ist eine ganz andere Frage...

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