Statt Politik

© Eric Fricke

Wie? Also gut, Freunde und Nachbarn, wenn Sie meinen, sprechen wir heute nicht über Politik, sondern über Fußball. Sie sind enttäuscht, weil die deutsche Mannschaft bei der EM so früh rausgeflogen ist? Ja, nun mal ehrlich, was hatten Sie denn von einer Horde satter Millionäre erwartet? Aber das wird ja nun alles besser mit dem künftigen Bundestrainer. Na, muss ja wohl auch, immerhin soll er vom DFB vier Millionen Euro im Jahr für den Job bekommen, also doppelt so viel wie sein Vorgänger Rudi Völler. Ist ja auch voll in Ordnung, das ist schließlich ein enorm wichtiger Job. Vier Millionen, das entspricht, über den Daumen gepeilt, dem 20-fachen des Bruttogehalts unseres Bundeskanzlers. Das nur am Rande, damit man mal sieht, wie hierzulande die Prioritäten verteilt sind. Aber nun gut, der DFB gehört bekanntlich zu den tragenden Säulen unseres Landes, was den Bundestag 1998 dazu veranlasste, ihn vom Kartellverbot zu befreien. Die Rechnung ist ganz einfach: Doppeltes Trainergehalt = doppelt so viele Tore. Woher nehmen eigentlich die Trainer der (bisherigen) Außenseitermannschaften ihre Motivation?

Es lässt sich schwer abstreiten, dass Fußball auch ein ganz kleines bisschen mit Geld zu tun hat. Das merkt man spätestens an der Stadionkasse. Für einen Erstligisten darf man schon ordentlich hinblättern, auch wenn's nur Stehplatz ist. Aber gut, so ein Stadion muss ja auch bezahlt werden, nicht wahr? Also, rechnen wir mal: Ein Fußballstadion kostet, na, sagen wir mal, 100 Millionen Euro. Die Ticketpreise liegen irgendwo zwischen10 und 40 Euro, nehmen wir einen Durchschnitt von 25 Euro, damit sich's vernünftig rechnen lässt. Dann gehen wir davon aus, dass in so ein Stadion, hm, 30.000 Leute reinpassen. Das macht dann pro Spiel 750.000 Euro, womit nach 134 mal "Ausverkauft" das Stadion bereits finanziert wäre. Irgendwo hat die Sache aber einen klitzekleinen Haken: So ein Verein muss ja auch das Stadion unterhalten, seine Spieler bezahlen, der Typ, der den Rasen mäht, will auch Kohle, der Trainer will Geld, das Management will Geld, die Nachwuchsförderung kostet... da hängen so viele Kosten dran, dass sich ein normalsterblicher Verein ein eigenes Stadion überhaupt nicht leisten kann. Punkt.

Jaja, ich weiß, was Sie sagen wollen. Stehen doch an jeder Ecke rum, die Dinger. "Herr Doktor, helfen Sie mir! Ich sehe überall Fußballstadien!" Was folgern wir daraus? Entweder leiden wir alle unter Halluzinationen, oder die Stadien sind echt. Dann muss sie aber jemand bezahlt haben. Wer? Na, Sie zum Beispiel. Folgen Sie mir doch einmal durch ein paar Erstligastadien. Das Berliner Olympiastadion wurde für 242 Millionen Euro umgebaut, davon blechte der Bund (also wir) 196 Millionen. Frankfurter Waldstadion? Von insgesamt 126 Millionen Euro zahlte die Stadt Frankfurt 64 Millionen, 20,5 Millionen legte das Land Hessen drauf. Beim Umbau des Niedersachsenstadions teilten sich die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen ein Drittel der Gesamtkosten von 64 Millionen Euro. Auch in Kaiserslautern, Köln, Nürnberg und Stuttgart hat der Steuerzahler kräftig mitgeholfen: Bei den erwähnten Stadien liegt die Summe bei rund 450 Millionen Euro, da muss ein Bundestrainer lange für arbeiten, von Gerhard Schröder ganz zu schweigen.

Immerhin, das hilft, dass sich der Eintritt für's Fußballspiel doch noch in Grenzen hält. Dass Sie sich das mit Arbeitslosengeld II künftig nicht mehr leisten können... nun ja, irgendwo muss Vater Staat doch mit dem Sparen anfangen, oder? Ich sagte ja schon: Alles eine Sache der Prioritäten! Unser Kanzler muss schließlich auch ganz schön knappsen, wenn er den Lebensstil eines Bundestrainers führen will, oder?

Aber Stadien werden ja nicht nur aus Steuergeldern finanziert. Nehmen wir mal das Freiburger Dreisamstadion. Das heißt so, weil es am Ufer des Schwarzwaldflusses Dreisam liegt. Nein, ich korrigiere: Es hieß so. Der Fluss heißt jetzt Badenova, das Stadion folglich Badenova-Stadion. Nun, ehrlich gesagt, der Fluss heißt immer noch Dreisam, ich wollte Ihnen damit nur die Tendenzen verdeutlichen. Der Energiekonzern Badenova hat für die nächsten fünf Jahre für eine bislang unbekannte Summe – man munkelt von einem sechsstelligen Betrag per anno – die Namensrechte am Stadion erworben. Man sieht, wenn's richtig um Geld geht, sind sogar Traditionen käuflich.

Habe ich nicht neulich gelesen, dass bei der Stadt Freiburg auch die Kohle so knapp ist? Mir geht gerade durch den Kopf, welche Unsummen beispielsweise alleine der Erhalt des Freiburger Münsters jährlich verschlingen muss. Abreißen und mit Stahlbeton wieder hochziehen wäre vermutlich billiger. Aber auch hier könnte die Privatwirtschaft einspringen! Passend wäre vielleicht ein Pharma-Unternehmen. "Pfizer-Kirche", hm, ja, das klingt ganz rund. Wenn einer was dagegen hat, ist er ein Heuchler! Schauen Sie doch nur, wieviele Besucher das Drei- äh, Badenova-Stadion bei den SC-Heimspielen hat und vergleichen Sie das dann mit der Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher im Münster! Erzählen Sie mir nichts von Religion oder Kultur – hier geht es um Wichtigeres: Um Geld!

Immerhin, so ein Fußballstadion zieht ja die Leute aus weitem Umkreis nach Freiburg. Die kommen aus Mulhouse, aus Basel, aus Lenzkirch... nein, dort kann sich's ja keiner mehr leisten. Die völlig gesunde Firma Kadus, Produzent von hochwertigen Haarpflegemitteln, wurde aufgekauft und die Belegschaft gefeuert, weil man nur das Know-How brauchte. Mit einem Bruchteil der 450 Millionen Euro, die in Fußballstadien versickern, hätte auch Vater Staat den Laden kaufen können. Das wären dann 200 Fans mehr, die sich ein SC-Spiel leisten könnten. Aber ich sehe, ich bin schon wieder bei der Politik gelandet. Und wir wollten doch heute mal die Prioritäten vernünftig setzen...

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