Die
Geschichte vom kleinen Fritz und seinem Papa
© Eric Fricke
Nun, liebe Kinder, kennt Ihr die Geschichte vom kleinen Fritz Müller? Nein? Nun, dann passt mal auf:
Also, als der Klapperstorch den kleinen Fritz brachte, legten seine Mama und sein Papa ein Sparbuch für ihn an. Hundert Mark kamen da drauf, denn es war noch zu jener Zeit, als es richtiges Geld gab. Der kleine Fritz wuchs nun heran. Er kam in den Kindergarten und schließlich in die Schule, wo er brav und fleißig war, so wie Ihr es hoffentlich auch seid.
Als der Fritz 9 Jahre alt war, hatte er Kommunion. Da schenkten ihm die Omi und der Opa Willy Geld fürs Sparbuch, auch die Oma Agathe und der Opa Kurt steuerten etwas bei. Ja, sogar Tante Lisa, von der Fritzchens Papa immer sagte, sie sei geizig und die Mama dann immer sagte, der Papa solle ihre Schwester in Ruhe lassen, schenkte dem Fritz hundert Euro. Nicht im Umschlag, sondern so, dass es alle sahen. Da hat sie sich echt nicht lumpen lassen, die Tante Lisa, auch wenn der Papa zur Mama sagte... nun, das ist eine andere Geschichte.
Der Fritz brachte das Geld auf die Bank. Die Mama hatte ihm gesagt, dass er später mal etwas Schönes davon kaufen könne. Oder den Führerschein damit machen, wenn er mal groß ist. 759 Euro und 63 Cent hatte der Fritz auf dem Sparbuch. Als ich so alt war, hatte ich auf meinem Sparbuch gerade mal 400 Mark. Aber vermutlich hätte ich genauso viel davon kaufen können. Nun ja.
Nun, liebe Kinder, kurze Zeit danach wurde dem Fritz sein Papa arbeitslos. Ja genau, wie deiner auch. Ja, und deiner. Und deiner. Und... halt, Kinder, doch nicht alle auf einmal! Pst! Lasst mich doch erzählen!
In dem Beruf, wo dem Fritz sein Papa arbeitete, war es gar nicht leicht, eine neue Stelle zu finden. Vor allem war er schon 42 Jahre alt, und man kann es natürlich keiner Firma zumuten, so einen Tattergreis einzustellen. Also hat dem Fritz sein Papa fleißig Fortbildungen gemacht. Er war immer tüchtig und hat gelernt und die Leute, die dem Fritz seinem Papa die ganzen Sachen beigebracht haben, haben gesagt, dass der Herr Müller, also dem Fritz sein Papa, das ganz toll macht und dass er einer von den besten ist. Da war der Fritz natürlich stolz auf seinen Papa. Der Papa vom Fritz hat jetzt aber erst recht keine Stelle gekriegt, denn die Chefs haben gesagt, er sei nicht nur zu alt, sondern auch überqualifiziert. Das heißt, dass er zu gut war. He, nein, das bedeutet nicht, dass Ihr jetzt keine Hausaufgaben mehr machen sollt, verstanden?
So ging also ein Jahr ins Land, und dem Fritz sein Papa wurde kein Arbeitslosengeld mehr bezahlt. Da hat nämlich der Herr Hartz, das ist eines von den hohen Tieren bei Volkswagen, gesagt, dass der Papa vom Fritz jetzt Sozialhilfe kriegt. Genau so hat er das eigentlich nicht gesagt, er hat das "Arbeitslosengeld II" genannt. Aber davon ist es auch nicht mehr geworden.
Hm, was hast du gemeint, Babsi? Ein "hohes Tier"? Ob das eine Giraffe sei? Was meinst du, Klausi? Ein Kamel? Nun, das schon eher.
Blöd war
nur, dass der Papa vom Fritz zu der Zeit seine vermögenswirksame Leistungen
ausbezahlt gekriegt hat. Der hat nämlich auch gespart, wie der Fritz. Eigentlich
wollte sich der Papa vom Fritz davon einen günstigen Gebrauchtwagen kaufen,
weil sein Golf schon 12 Jahre alt war. Und deshalb hat der Herr Hartz dem Papa
vom Fritz auch die Sozial- äh, das Arbeitslosengeld II nicht gegeben, sondern
ihm gesagt, er muss seinen alten Golf weiter fahren und von dem Geld seinen
Lebensunterhalt zahlen. Außerdem hat der Papa vom Fritz eine Lebensversicherung
abgeschlossen, als der Fritz noch ganz klein war. Damit entweder der Fritz und
die Mama nicht arm werden, wenn dem Papa was passieren sollte. Oder, wenn ihm
nichts passieren sollte, hätte der Papa vom Fritz das Geld selber gekriegt,
wenn er alt ist. Denn die Politiker haben gesagt, dass jeder selbst was für
die Rente tun muss, weil sonst das Geld nicht reicht. Jetzt hat der Papa vom
Fritz seine Lebensversicherung kündigen und das Geld zum Leben ausgeben
müssen. Der Papa vom Fritz hat gesagt, da hätte er sich besser erschossen,
dann stünde die Familie besser da, und die Mama hat gesagt, dass man so
was nicht vor Kindern sagt.
Äh, ja, war nur ein kleiner Scherz, gell? Weil, haha, der Papa vom Fritz
hatte ja gar keine Pistole, nicht wahr?
Ja, äh, wo war ich stehen geblieben? Ja, also, das Geld war eines Tages verbraucht, und weil der Papa vom Fritz immer noch keine Arbeit hatte, gab ihm der Herr Hartz endlich die Sozial-, äh, na, Ihr wisst schon, das Arbeitslosengeld II.
Aber er bekam nicht so viel, wie er eigentlich hätte bekommen müssen, sondern 207 Euro weniger. Das ist das Geld, das für Kinder unter 14 bezahlt wird. Da hat man dem Papa vom Fritz erklärt, dass das so schon richtig ist, denn es gäbe noch ein Vermögen. Und das, liebe Kinder, war das Sparbuch vom kleinen Fritz, auf dem mittlerweile 786 Euro und 52 Cent waren. Nämlich genau 36 Euro und 52 Cent über dem Freibetrag.
Und was lernen wir daraus, liebe Kinder? Genau: Haut euer Geld ganz schnell auf den Kopf, bevor euer Papa arbeitslos wird!