Angst und Repression: Die Politik des 21.
Jahrhunderts
©
Eric Fricke
Die deutsche Leidkultur
Deutschland,
einig Amokland. Während das Gejammere darüber groß ist,
dass die deutsche Bevölkerung mangels Nachwuchs dereinst
aussterben wird, errichtet man immer höhere Barrikaden, um
Ausländer fernzuhalten. Zum Beispiel mit einem umfangreichen
Fragekatalog, mit dem geprüft werden soll, ob irgend so ein
Handtuchkopf oder Kameltreiber überhaupt in der Lage ist, die
deutsche Leitkultur zu würdigen. Es kann und darf nicht sein, dass
sich hier Leute niederlassen wollen, die im Zelt leben und ständig
ihre Frauen verprügeln – von Terroristen, die bekanntlich
neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung ausmachen, einmal ganz
abgesehen!
Die Liste der Fragen wurde mittlerweile
veröffentlicht, und ihr Studium lässt nur einen Schluss zu:
Würde man diese Fragen dem gemeinen Michel als Bedingung für
den Verbleib in diesem Lande vorlegen, müsste man etwa siebzig
Prozent der Bevölkerung stante pede ausweisen – schon die
Ergebnisse der PISA-Studien legen das nahe. Dabei sind die rund hundert
Fragen des Katalogs völlig überflüssig, eine einzige
würde schon genügen, um zielgruppengerecht die Spreu vom
Weizen zu trennen. Mein Vorschlag:
Ihre Nachbarn laden Sie zum
Grillfest ein. Dort bietet man Ihnen ein Glas Bier und eine aus
Schweinefleisch hergestellte Grillwurst an. Wie reagieren Sie?
a) Sie nehmen beides, beißen herzhaft in die Grillwurst und kippen das Bier auf ex.
b) Sie lehnen dankend unter Hinweis auf Ihre Religion ab und bitten um ein Glas Mineralwasser und einen Salat.
c) Dies ist genau der richtige Moment, um den unter Ihrer Jacke verborgenen Sprengsatz zu zünden.
Bei
Antwort a) wird dem Antrag auf Zuzug stattgegeben, bei b) wird
lediglich eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt; eine
Überwachung durch den Verfassungsschutz ist empfehlenswert. Bei
Antwort c) ergeht ein sofortiges Amtshilfeersuchen an die amerikanische
Regierung, die Überstellung des Kandidaten an die CIA und seine
umgehende Deportation nach Guantanamo.
Da am deutschen Wesen
bekanntlich die Welt genesen soll (na, von wem stammt das Zitat?
Bismarck oder Willizwo?), muss ein Bewerber um eine
Aufenthaltserlaubnis natürlich ein ordentliches Deutsch sprechen.
Ey, krass, Alter, das finde ich voll cool! Einige deutsche Schulen
wollen ja ohnehin die Pflicht zur deutschen Sprache auf den
Schulhöfen einführen. Schlechte Zeiten für
Dialektsprecher und pflichtbewusste Schüler, die vor der
Klassenarbeit in der Hofpause eben nochmal mit dem Klassenprimus die
englischen Vokabeln durchgehen wollen. Es ist aber anzunehmen, dass es
eine Ausnahmeregelung für die dänische Minderheit in
Norddeutschland gibt, da sich die dänische Presse
schließlich besonders um die interkulturelle Kommunikation
bemüht hat.
Denkbar ist übrigens, dass die erneute Reform
der Rechtschreibreform eigens eingeführt wurde, um hier die
Schwelle noch etwas höher zu legen – wenn die Deutschen das
schon nicht mehr blicken, sollte man Ausländer erst recht
abschrecken können. Aber das nur am Rande...
Das obige Zitat stammt übrigens von Kaiser Wilhelm II.
Moses, der cholerische Araber
Sprechen
wir doch einmal über Lügen. Da unsere Leitkultur bekanntlich
christlichen Ursprungs ist (ja, auch unsere Politiker legen darauf
immer mehr Wert; schlechte Karten für Darwin im Bio-Unterricht),
ist uns das Lügen verboten. Das steht auch schon in der Bibel:
Moses (der übrigens, wie auch Jesus, aus einem arabischen Land
stammte), hatte die entsprechenden Vorschriften persönlich von Dem
Da Oben entgegengenommen. Leider existieren die Gesetzestafeln nicht
mehr, da Moses sie anlässlich eines cholerischen Ausbruchs
zerdeppert hatte – typisch Südländer eben. Ein Backup
wurde erst später erstellt, was der Grund sein mag, weshalb die
Zehn Gebote inzwischen eher als unverbindliche Empfehlungen betrachtet
werden. Wer lügt – darauf hatte der Pfarrer in meiner
Kindheit stets hingewiesen – kommt in die Hölle. Dann
sollten wir doch schleunigst ein besseres Leben führen, um nicht
nach unserem Ableben mit Politikern, Medienbossen und Konzernchefs
zusammenzutreffen. Dass gerade diese dem Vernehmen nach häufige
Saunabesucher sind, hängt wohl weniger damit zusammen, dass sie
sich für das Tagesgeschäft fit halten wollen, es scheint eher
eine prophylaktische Abhärtungsmaßnahme zu sein. Beginnen
wir doch mit der ersten Lüge, die so sinngemäß vor
kurzem im Kommentar der Badischen Zeitung stand und die so auch von
anderen Organen regelmäßig kolportiert wird:
Es wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder Vollbeschäftigung haben.
Besichtigen
wir einmal die Montagehalle eines beliebigen deutschen
Automobilherstellers. 1970 hatten da 800 Leute fleißig gewerkelt
und mit großer Sorgfalt der Deutschen liebstes Kind produziert.
Heute entdeckt man in der nämlichen Halle vielleicht noch
fünf Leute, die schauen, ob die Roboter anständig werkeln
(was sie, betrachtet man die sinkende Qualität deutscher Autos,
offenbar nicht tun). Preisfrage: Wann werden in dieser Halle wieder 800
Mitarbeiter Autos zusammenschrauben? Antwort: Nie mehr. Ähnlich
verhält es sich in anderen Branchen. Die technische Entwicklung
der letzten Jahrzehnte macht immer mehr Arbeitsplätze schlicht
überflüssig. Unmittelbar damit hängt die nächste
Lüge zusammen:
Die technische Entwicklung schafft wieder neue Arbeitsplätze.
Das
tut sie in gewissem Umfang in der Tat – aber glaubt jemand
ernsthaft, dass die entlassenen 795 Autowerker nun alle in einer
Chipfabrik arbeiten? Pustekuchen – dort werden auch nicht mehr
Leute gebraucht als in der Automobilfabrik. Macht demnach einen
Überschuss von 790 Arbeitskräften. Freilich ist dieses
Beispiel stark vereinfacht – aber grundsätzlich sieht die
Situation hierzulande eben so aus. Daran ändert auch die
nächste Lüge nichts:
Ein Großteil der Arbeitsplätze wird ins Ausland verlagert.
Eine
Umfrage im Freundeskreis, wieviel Prozent der Millionen von
Arbeitsplätzen, die bei uns verschwinden, wieder im Ausland
auftauchen, erbrachte Schätzungen in Größenordnungen um
die dreißig Prozent. Tatsächlich sind es nicht mehr als zwei
bis drei Prozent – die übrigen 97 Prozent der abgebauten
Arbeitsplätze sind schlicht und einfach weg. Futsch. Im Eimer.
Existieren nicht mehr. Aber die Lüge von der massenhaften
Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer ist viel
besser geeignet, Sündenböcke zu präsentieren –
wohlgemerkt: nicht die Unternehmen, die die Arbeitsplätze
verlagern, sondern die Ausländer, die sie uns "wegnehmen". Und
dann sollen wir die auch noch in unser Land lassen?!? Zitieren wir an
dieser Stelle einfach einmal die Nachrichtenübersicht von Yahoo am
18. April: "Fremdenfeindlicher Mordversuch in Potsdam". Kein weiterer
Kommentar. Oder doch vielleicht jenen, den Wolfgang Schäuble zu
diesem Verbrechen abgab, weil er kurz nach der Tat kein
fremdenfeindliches Motiv erkennen konnte (oder wollte)? – "Es
werden auch blonde blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten, zum
Teil sogar von Tätern, die möglicherweise nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit haben."
Wir haben keine Alternative zu den derzeitigen Reformen.
Diese
Lüge ist ebenso dreist wie die vorherigen. Natürlich
gäbe es Alternativen, die sind aber weder von der Wirtschaft noch
von der Politik gewollt – wobei das Erstere das Letztere bedingt.
Stichwort Bürgergeld: Der gesamte Transfer an Sozialleistungen
liegt in Deutschland bei jährlich rund 800 Milliarden Euro. Das
würde genügen, um jedem Bürger vom Säugling bis zum
Greis monatlich um die 800 Euro auszuzahlen und ihn damit vom
Arbeitsmarkt unabhängiger zu machen. Anstelle der Besteuerung von
Einkünften könnte eine Maschinensteuer eingeführt
werden. Denkbar wäre auch eine – möglicherweise unter
ökologischen Aspekten gestaffelte – höhere Besteuerung
von Konsumgütern. Und das sind mitnichten Hirngespinste
irgendwelcher linker Spinner, Ökofreaks oder kiffender
Sandalenträger, sondern fundierte Vorschläge von
Wirtschaftswissenschaftlern und sozial eingestellten Unternehmern
– beispielsweise von Götz Werner, dem Chef der
dm-Drogeriemarktkette. Dass ein solcher Vorschlag den meisten
Unternehmen indes ein Dorn im Auge sein dürfte, ist
verständlich, würde doch die Einführung eines
Bürgergeldes die Arbeitnehmer plötzlich mit ihnen auf
Augenhöhe bringen. Dabei würde ein Bürgergeld nicht nur
für Konsumenten sorgen; durch die geringere Abhängigkeit vom
Arbeitsmarkt könnten nicht wenige auf die Idee kommen, sich sozial
oder kulturell zu engagieren, was ihnen vorher aus finanziellen
und/oder zeitlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt
möglich war – von einer gesicherten Familienplanung ganz zu
schweigen. Mit Kopfschütteln registriert man, dass selbst
ansonsten intelligente und aufgeschlossene Politiker bei diesem Thema
die Realität von fünf Millionen Arbeitslosen (und das
Grundbedürfnis der allermeisten Menschen, etwas Sinnvolles zu tun)
ausblenden; als Gernot Erler auf das Thema "Bürgergeld"
angesprochen wurde, sagte er ganz entsetzt: "Um Himmels willen, da
würde ja keiner mehr etwas tun wollen!" Ja, wo denn in Zukunft
auch, ist doch das Rationalisierungspotenzial bei weitem noch nicht
ausgeschöpft! Es gab ja einmal die Idee, den Menschen durch
Rationalisierung vom Joch der Arbeit zu befreien. Zugegeben, bis zu
diesem Punkt scheint das ja recht gut zu klappen, aber hat sich schon
jemand die Frage gestellt, wovon die Menschen leben – und wovon
sie all die schönen, vollautomatisch hergestellten
Konsumgüter kaufen sollen?
Nachtrag:
Nachdem dieser Artikel fertig war, erschien im Stern Nr. 17/2006 ein
Interview mit Götz Werner, in dem er genau das auf den Punkt
brachte, was ich einige Absätze weiter auch schon geschrieben
hatte: "Es gibt keine Wirtschaftskrise." Übrigens spricht er von
einem Bürgergeld in einer Höhe von bis zu 1500 Euro.
Es ist
erschreckend, wie die Medien in kollektiver Einigkeit – es
möchte einem fast das Wort "Gleichschaltung" entschlüpfen
– auf die Linie der Neocons eingeschwenkt ist.
Regelmäßig hagelt es Schelte auf die Gewerkschaften, die
wegen ein paar lächerlicher Minuten Arbeitszeitverlängerung
das halbe Land lahmlegen. Auch streikende Ärzte nimmt man
gerne ins Visier, die schier die Patienten sterben lassen, weil die
Herren Halbgötter (bzw. Damen Halbgöttinnen) Angst haben, sie
könnten sich nicht mehr jedes Jahr einen neuen Mercedes kaufen. Um
was es wirklich geht, interessiert nicht oder nur am Rande, das gibt
keine griffigen Headlines her. Und dass die Pharmaindustrie sich in die
schier unübersehbare Reihe der Rekordgewinnler einklinkt,
während die medizinische Versorgung der Bevölkerung immer
schlechter wird, steht natürlich auch in keinerlei Zusammenhang.
Und das führt uns schon zur nächsten Lüge:
Wir brauchen Wirtschaftswachstum, damit neue Arbeitsplätze entstehen.
Rekordgewinne,
so weit das Auge reicht. Ob Pharmaindustrie oder Energieversorger, ob
Mineralölkonzerne oder die Post – überall herrscht
Frohlocken, haben die Aktionäre Freudentränen in den Augen,
fließt das Geld in Strömen. Während rundum immer neue
Rekorde gebrochen werden ("Bestes Ergebnis seit Bestehen des
Unternehmens"), scheint die Zahl der Arbeitsplätze in umgekehrter
Relation zu den steigenden Gewinnen zu stehen. Alles, was mit einem
Wirtschaftswachstum Schritt hält, ist der Ressourcenverbrauch und
die Umweltbelastung. Ansonsten lautet das Motto "Arbeitsplätze?
Nein danke!"
Nebenbei mag man sich fragen, ob die alleinige
Ausrichtung auf Arbeitsplätze, mithin das, was die Politiker so
nett als "Recht auf Arbeit" bezeichnen, überhaupt so sinnvoll ist,
wie es zunächst erscheinen mag. Warum das nicht durch ein "Recht
auf Existenz" ersetzen – losgelöst von der Erwerbsarbeit? Wo
doch das "Recht auf Arbeit" immer mehr (zumindest für jene, die
noch Arbeit haben) zur "Pflicht zur Ausbeutung" wird?
Was ist nun von der nächsten Aussage zu halten?
Die
Lebenserwartung steigt; wer um die Jahrtausendwende geboren wurde, hat
die besten Chancen, hundert Jahre alt zu werden – eine
Katastrophe für die Rentenkassen.
Richtig ist, dass die
Lebenserwartung steigt – sofern man den Durchschnittswert der
Gesamtbevölkerung zugrunde legt. Wer indes arm ist, stirbt
früher – daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit
der zunehmenden Armut in Deutschland sinken die Chancen für
Arbeitslose und durch Hartz-IV-Verarmte rapide, sehr alt zu werden.
Immer mehr Menschen, derzeit rund 200.000 in Deutschland, haben keine
Krankenversicherung – das sind 12.000 mehr als 2003 und doppelt
so viele wie 1995. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe
wies in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP darauf hin, dass
Menschen mit geringem Einkommen im Schnitt sieben Jahre früher
sterben als Wohlhabende. Der Krankenstand ist auf niedrigstem Niveau
angelangt – nicht, weil die Menschen gesünder sind, sondern
weil sie krank zur Arbeit gehen. Verdoppelt hat sich in den letzten
Jahren übrigens die Anzahl der psychischen Erkrankungen. Kein
Wunder angesichts drohender Zwangsumsiedelungen und Enteignungen durch
Hartz IV. Dabei sollen diese Leistungen ohnehin noch weiter
gekürzt werden, und Franz Müntefering hatte im Februar einen
Gesetzesentwurf vorgelegt, demzufolge junge Arbeitslose unter 25 wieder
bei ihren Eltern wohnen sollen bzw. erst gar keinen eigenen Hausstand
gründen dürfen. Soviel zum Grundgesetz und dem Recht auf
freie Entfaltung.
Unterdessen wird die Hetze gegen
ALG-II-Empfänger auf höchster Ebene immer schlimmer –
CSU-Generalsekretär Söder forderte lauthals härtere
Sanktionen gegenüber ALG-II-Empfänger zur Durchsetzung eines
Kombilohnmodells, der Baden-Württembergische
Landwirtschaftsminister Hauk war der Ansicht, dass Arbeitslose "wieder
das Bücken lernen" müssten, die Bundesregierung verlangt eine
Überprüfung der Arbeitswilligkeit von Arbeitslosen. Es wird
hierbei befürchtet, dass die angekündigten
Trainingsmaßnahmen und Arbeitsgelegenheiten derart unzumutbar
gestaltet sein könnten, dass zwangsläufig der Beweis für
die Arbeitsunwilligkeit vieler Arbeitsloser erbracht wird und auf diese
Weise eine Menge Geld gespart wird. In den vergangenen drei Monaten hat
sich die Anzahl der Geringverdiener, die ergänzende
Sozialleistungen auf der Basis von Hartz IV beziehen, um 50 Prozent auf
900.000 erhöht. Jürgen Gohde, Präsident des Diakonischen
Werkes, rechnet unter Hinweis auf Daten der Bundesagentur für
Arbeit mit zwei Millionen Beschäftigten, die Anspruch auf
ergänzende Hartz-IV-Leistungen haben werden – auch sie sind
alle Kandidaten für eine um sieben Jahre verringerte
Lebenserwartung.
Es gibt keine Wirtschaftskrise!
Die
Politik ignoriert vollkommen, dass wir uns nicht in einer
"Wirtschaftskrise" befinden, wie häufig behauptet wird, sondern in
einem Umbruch, der das gesamte gesellschaftliche und soziale
Gefüge dergestalt verändert, dass dieses Land
anschließend nur noch wenig Ähnlichkeit mit jenem der
prä-neoliberalen Ära haben wird. Wohin die Reise genau geht,
weiß man nicht. Auffallend ist indes, dass inzwischen in aller
Öffentlichkeit Dinge ausgesprochen werden, die früher nicht
über den Stammtisch hinausgekommen wären – und niemand
scheint sich darüber aufzuregen. Wo bleibt der entsetzte
Aufschrei, wenn die Bild-Zeitung den Rechtsausleger Arnulf Baring als
"klügsten Kopf Deutschlands" präsentiert und ihm Raum gibt,
seine Hetzparolen abzusondern? Wes Geistes Kind Baring ist, durfte er
ja bereits 2003 als geladener Gast im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen darstellen, wo er im "Nachtstudio" des ZDF lauthals über
den "Elan Adolf Hitlers" schwadronierte und den Enthusiasmus lobte, den
der Gröfaz seinerzeit bei den Deutschen weckte: "Wenn auch nur ein
Bruchteil dessen für die Bundesrepublik mobilisiert werden
könnte, wären wir aus allen Schwierigkeiten raus!" Die Rechte
ist wieder in den Parlamenten angekommen, und wäre sie nicht
untereinander zu zerstritten, um eine Art "rechte Einheitsfront" zu
bilden, wären ihre Chancen bei künftigen Wahlen sogar noch
weitaus besser, denn mittlerweile sitzen in den Landesparlamenten
"Sieger", die es mit gerade einmal 15 Prozent der Wählerstimmen
geschafft haben, weil die Hälfte der Wahlberechtigten nicht zur
Urne ging.
Die Politiker ficht dies indes nicht an: "Wir haben einen
Auftrag von den Wählern bekommen", selbst wenn der Großteil
der Wahlberechtigten ihnen durch Verweigerung des Kreuzchens jegliche
Legitimation abspricht. Business as usual; lieber präsentiert man
Sündenböcke für den Zustand dieses Landes; beliebt sind
unter anderem jene fünf Millionen faulen Säcke, die durch
Arbeitsverweigerung den Sozialstaat ruinieren.
Vogelgrippe-Gewinnler Donald Rumsfeld
Keine
echten Reformen, kein Mut zu Veränderungen "zum Wohle des Volkes",
statt dessen eine Politik der Repression, des Angstmachens, des
Verschleierns.
Nehmen
wir einmal ein simples Beispiel zur
Vernebelungstaktik: Auch Deutschland plant die Einführung eines
Tagfahrlichts. Das klingt zunächst einmal durchaus nicht negativ.
Ist aber die Verkehrssicherheit der einzige Hintergrund? Tatsache ist,
solange der Bestand von rund 50 Millionen Kraftfahrzeugen nicht auf ein
spezielles Tagfahrlicht umgerüstet ist, wird der jährliche
Treibstoff-Mehrverbrauch in Deutschland bei rund 750 Millionen Litern
liegen. Das ist Sprit im Gegenwert von rund 900 Millionen Euro bei
einem Steueranteil von über zwei Dritteln – somit für
den Staat eine Mehreinnahme von über 600 Millionen Euro! Soll also
keiner erzählen, es ginge dabei ausschließlich um unsere
Sicherheit und Gesundheit!
Aber
das sind im Grunde Bagatellen gegen die anderen Methoden – der
Repression und dem Schüren von Ängsten: Wenn die Bürger
nicht lückenlos überwacht werden, fallen sie Kriminellen zum
Opfer. Wenn die Bundeswehr nicht bei der WM eingesetzt werden darf,
fallen Unschuldige Terroranschlägen zum Opfer. Auch die Agentur
für Arbeit hat die politische Vorgabe, Druck auf die Arbeitslosen
zu machen. Konkret sieht das so aus, dass – viele Arbeitslose
können das bestätigen – in den hoffnungslos
überlasteten und personell unterbesetzten Agenturen immer wieder
Unterlagen verschütt gehen, die termingerecht abgegeben wurden.
Schuld ist grundsätzlich der Arbeitslose, denn der bekommt gleich
nach Verstreichen des Termins ein Schreiben, in dem die Kürzung
der Leistungen angedroht wird, falls die Pflicht zur Mitarbeit
weiterhin verweigert wird. Die Hintergründe der derzeitigen
Panikmache wegen der Vogelgrippe sind aber wohl weniger politischer als
kommerzieller Natur (wobei das mittlerweile kaum noch zu trennen ist);
so wurde der Ladenhüter "Tamiflu", nicht zuletzt durch die
groß angelegte, von George W. Bush initiierte globale Panikmache,
zum Renner. Gefreut darüber haben sich Tamiflu-Entwickler Gilead
Science, Lizenznehmer Roche sowie Donald Rumsfeld, ehemaliger
Aufsichtsratsvorsitzender von Gilead und nach wie vor
Großaktionär des Unternehmens. Was für ein Zufall! Ob
Tamiflu im Falle einer theoretischen Mutation des Virus
tatsächlich irgendeinen Nutzen bringt, weiß niemand. Ein
weiterer lustiger Zufall ist übrigens der Ausbruch des (schon seit
hundert Jahren bekannten) Virus auf Rügen. Für Vogelkundler
war dies in keiner Weise nachvollziehbar. Erstaunlicherweise liegt aber
wenige Kilometer vor Rügen das Inselchen Riems – der
Einheimischen auch als "Seucheninsel" bekannt. Dort forscht das
Friedrich-Löffler-Institut eifrig an Impfstoffen gegen die
Vogelgrippe. In Deutschland ist das Impfen von Vögeln gegen das
H5N1-Virus verboten, da sich geimpfte Tiere nicht von solchen
unterscheiden lassen, die sich in freier Wildbahn angesteckt haben. Das
Institut führte eine Notfallübung durch; laut Szenario wurde
ein massiver Ausbruch der Vogelgrippe angenommen. Wenige Tage nach
dieser Übung fand man die ersten toten Vögel auf Rügen.
Ist die Destabilisierung der Gesellschaft gewünscht?
Wir
werden belogen, aber wen interessiert das? Die Arbeitslosigkeit wird
nicht mehr sinken, die vorhandenen Arbeitsplätze sind nicht mehr
sicher. Die Erwerbsarbeit ist ein Auslaufmodell. Der amerikanische
Konzernberater Jeremy Rifkin brachte das ganz klar in einem Interview
mit der Stuttgarter Zeitung auf den Punkt: "Ich verdiene einen Teil
meines Einkommens damit, die Chefs großer Konzerne zu beraten.
Wenn ich die frage, ob sie in Zukunft noch Zehntausende von
Mitarbeitern haben werden, dann lachen die laut los. Die
Wirtschaftsführer wissen längst, wo die Reise hingeht."
Die
Politik dient nicht dazu, unseren Lebensstandard zu verbessern oder
für das Wohl der Menschen zu sorgen, sondern ausschließlich
noch dazu, das Kapital weiter zu bereichern. Die technischen
Entwicklungen der letzten Jahre werden bewusst dazu eingesetzt, die
Gesellschaft zu unterwandern und zu destabilisieren. Mitmenschlichkeit,
Solidarität, Familie, Kultur, ja, das Leben eines jeden werden zu
Opfergaben auf dem Altar der Shareholder Value.
In Diskussionen
begegnet mir immer wieder das Argument, es werde wohl alles nicht so
schlimm kommen, denn auch die Konzerne seien auf die Verbraucher
angewiesen, eine zu hohe Zahl von Arbeitslosen würde zur
Überproduktion und damit zu sinkenden Gewinnen führen. In der
Tat hatte ja schon Karl Marx darüber spekuliert; was er allerdings
nicht voraussehen konnte war, welche Richtung die technische
Entwicklung dereinst einschlagen würde, galt doch vieles, was
heute unseren Alltag bestimmt, noch vor zwanzig Jahren als Science
Fiction. Grundsätzlich ist die Möglichkeit nicht
auszuschließen, dass das gesamte System irgendwann
zusammenbricht. Ob sich dadurch die Besitz- (und damit die
Macht)verhältnisse grundlegend ändern lassen können, ist
aber durchaus fraglich, da sich die Tendenz zur Totalüberwachung
der Bevölkerung mehr und mehr verstärkt. Auch hier wurde die
einschlägige Science Fiction-Literatur von der Wirklichkeit
eingeholt. Eine weitere Option wäre ein Krieg. Ebenfalls nicht
unwahrscheinlich angesichts der weltpolitischen Lage.
Auch wenn es
die "Verbraucher" im heutigen Sinne nicht mehr geben wird, werden wir
doch alle von den Konzernen abhängig sein – ihre Angebote
werden dann eben auf die reiche Minderheit einerseits und auf die
elementare Grundversorgung der armen Majorität andererseits
zugeschnitten sein. Ein Entkommen aus dieser Abhängigkeit
dürfte sich dann extrem schwierig gestalten. Wer glaubt, sich mit
einem eigenen Acker durchschlagen zu können, wird enttäuscht
werden, wenn sein Autarkiewunsch mit gentechnisch verändertem
Saatgut konterkariert wird. Unter dem Vorwand, besonders robustes
Getreide zu erzeugen, laufen schon jetzt Versuche, arme Länder von
einigen wenigen Saatgutherstellern abhängig zu machen. In der Tat
erzielt man mit dem Getreide selbst mit problematischen Böden gute
Erträge und erweist es sich als resistent gegen Insektizide, es
lässt sich aber nicht für eine erneute Aussaat verwenden, da
es steril ist. Somit ist man bei jeder neuen Aussaat auf das Saatgut
des betreffenden Herstellers angewiesen. Logisch, da es ihm nicht darum
geht, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, sondern maximale
Profite zu machen. Nebenbei gibt es bislang keinerlei gesicherte
Erkenntnisse darüber, ob die Einbringung gentechnisch
veränderter Nahrungsmittel in den menschlichen Stoffwechsel
Risiken birgt.
In einer destabilisierten, überwachten
Gesellschaft, die jeglicher Solidarität verlustig gegangen ist,
wird sich kaum Widerstand gegen solche Entwicklungen regen. So liegt
eben – siehe oben – der Verdacht nahe, dass diese
Destabilisierung nicht nur in Kauf genommen wird, sondern sogar
gewünscht ist. Die wachsende Angst in der Bevölkerung, egal
ob es um den Arbeitsplatz, Terroristen oder die Vogelgrippe geht, macht
diese gefügig, sie wird sogar jeden scheinbaren Versuch, für
ihre Sicherheit zu sorgen, begrüßen: Repressalien gegen
Arbeitslose sichern das eigene Einkommen, Kriege sichern die
Energieversorgung, Überwachung sichert das eigene Leben. Und, nun
ja, Tamiflu sichert immerhin das Einkommen von Ronald Dummsfeld,
Verzeihung, Donald Rumsfeld. Führt man das konsequent fort, kann
man durchaus an den Punkt kommen, wo die Leute begeistert Schlange
stehen, um sich einen RFID-Chip unter die Haut setzen zu lassen, mit
dem man außer der "Sicherheit" auch noch Prozente bei Ikea und
Wal-Mart bekommt. Technisch ist das überhaupt kein Problem –
die US-Firma Applied Digital Solutions hat einen solchen Chip bereits
2003 auf den Markt gebracht.
Zitieren wir also ohne weiteren
Kommentar noch eine Lüge, die jeder Politiker vor seinem
Amtsantritt aussprechen muss, ohne rot zu werden – vermutlich die
einzige Kompetenz, die noch gefragt ist: "Ich schwöre, dass ich
meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen
mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des
Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft
erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So
wahr mir Gott helfe."
21_04_06
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