Gewinne rauf, Arbeitsplätze runter

© Eric Fricke

"Unrentable Stellen zu streichen, ist auch sozial."
In den USA ist bekanntlich alles eine Nummer größer (wenn man mal vom Intelligenzquotienten von George Dubja absieht): Die Autos, die Wolkenkratzer, die Städte. Und wenn es bei den dortigen Konzernen zu Entlassungen kommt, wird konsequenterweise gleich richtig geklotzt. Es sei allerdings vorausgeschickt, dass die prognostizierten Entlassungen bei Pfizer mit 12.000 Mitarbeitern viel zu hoch kalkuliert waren, es werden allenfalls lächerliche 7.000 sein.

Bei solchen Zahlen kommen wir in Deutschland nicht mit, auch wenn sich einem zuweilen der Eindruck aufdrängt, dass mancher Konzernboss zumindest mit Bush Juniors IQ in Wettstreit treten möchte. Oder gibt es eine andere Erklärung dafür, dass die Gewinne ins Uferlose gehen, aber immer mehr Mitarbeiter auf der Strecke bleiben?
Möglicherweise sind wir Normalverbraucher auch einfach nur zu doof, um das zu kapieren. Dieser Meinung sind zumindest (wenn auch etwas verklausulierter formuliert) Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und Wirtschaftsprofessor Leonhard Knoll. Letzterer vertritt dabei die Ansicht: "Unrentable Stellen zu streichen, ist auch sozial."

"Deutsche" Bank?
"Eine Voraussetzung, um der sozialen Verantwortung gerecht zu werden, ist für jedes Unternehmen eine ausreichende Gewinnerzielung. Und welche Maßnahmen in einem Unternehmen hierfür Voraussetzung und erforderlich sind, das kann nur in dem Unternehmen entschieden werden. Ich sage auch, dass die Öffentlichkeit gar nicht ausreichend Kenntnis über die Gegebenheit, über die tatsächliche wirtschaftliche Situation eines Unternehmens hat, um derartige Entscheidungen, so unangenehm sie insgesamt sind und so sehr ich verstehe, dass sie zu Beunruhigung führen, beurteilen und kommentieren können.", sagt Dieter Hundt. Dass er auch schon laut darüber nachgedacht hat, sein Unternehmen nach Ungarn zu verlagern, hat folglich irgendwelche tiefschürfenden Gründe, die wir eh nicht kapieren und steht in keinerlei Zusammenhang damit, dass er womöglich den Hals nicht voll kriegt.

Übrigens ist es eine böswillige Unterstellung, dass Unternehmen keine neuen Arbeitsplätze schaffen würden: Zum Ausgleich für die 2300 Stellen, die die Deutsche Bank hier streichen will (weltweit werden es 6400 Arbeitslose mehr sein), gibt es 1200 neue – und zwar in Billiglohnländern, wie Ex-Chef Rolf Breuer erläuterte. Vielleicht sollte das Unternehmen dann aber ehrlicherweise das "Deutsche" aus seinem Namen entfernen.

Soll man jetzt die Deutsche Bank boykottieren, wie es diverse Politiker in ihrer Hilflosigkeit vorgeschlagen haben? Blödsinn. Die einzige Möglichkeit, eine Bank in die Knie zu zwingen ist die, sämtliche Kredite zurückzuzahlen und alle Konten ins Plus zu bringen. Dann geht sie alleine durch die Zinsverpflichtungen Pleite...

Welche Meinung die Bosse der "Deutschen" Bank von ihren Kunden haben, wenn die mal nicht mit ihrem Kreditinstitut einer Meinung sind, machte Chefvolkswirt Norbert Walter in einem Interview deutlich, in dem er die Deutschen als "Heulsusen" bezeichnete. Das verrät doch viel über seine Denkweise, nicht wahr, Freunde und Nachbarn? Aber was will man schon von Leuten erwarten, die Menschen als Verfügungsmasse und Mittel zum Zweck der weiteren Gewinnsteigerung betrachten? Aber gut, das kann ich auch; wenn Norbert Walter der Meinung ist, ich sei eine Heulsuse, ist er eben ein Asozialer. Punkt.

Gewinn verdreifacht, 17 Prozent entlassen
So, jetzt aber wieder etwas mehr Niveau. Wenn wir festgestellt haben, dass die Amis alles eine Nummer größer schaffen, so sind wir doch auch auf einem guten Wege dahin. Nun ja, der Energieversorger MVV ist da noch etwas schwach auf der Brust; gerade mal hundert Leute gefeuert, aber da wurde der Gewinn ja auch bloß von 47 auf 68 Millionen gesteigert. Die Prognose fürs nächste Jahr liegt bei 150 Millionen Euro, da sollten doch schon mal 400 Entlassungen drin sein, oder? Auch Henkel hat eben mal ein Plus von 10 Prozent beim Gewinn geschafft und popelige fünf Prozent der Stellen abgebaut. Etwas besser die BASF: 15 Prozent weniger Mitarbeiter bei einer Gewinnsteigerung von 63 Prozent. Energieversorger RWE hat den Gewinn verdoppelt und die Jobs um 20 Prozent reduziert. Ein wenig enttäuschend die Allianz (Sie wissen ja: "'offentlisch arbeitslosenversischert!"); zwar hat das Unternehmen den Gewinn verdreifacht, aber die Arbeitsplätze lediglich um 17 Prozent reduziert. Vielleicht mal ein Beispiel an der RWE nehmen, hm?

Es ist logisch, dass Bund, Länder und Gemeinden sparen müssen, weil die Konzerne ihre Gewinne – wenn überhaupt – im Ausland investieren. Die Methoden hierfür hat man sich der freien Wirtschaft abgeschaut. So hatte das Land Brandenburg bis 2003 bereits die Anzahl seiner Stellen um 5000 reduziert, weitere 7400 werden bis 2009 folgen; die Pläne der bayrischen Staatsforstverwaltung sehen einen Abbau von 1600 Arbeitsplätzen vor. Na, wir stoßen doch allmählich in Regionen vor, die zahlenmäßig mit der Bevölkerung einer Kleinstadt mithalten können.

Zugegeben, es sind nicht immer nur die brummenden Unternehmen, die entlassen. Eine große Kategorie stellen Firmen mit unfähigem Management dar, das die Bilanzen in die Tiefe reißt. Hier ist es absolut verständlich und nachvollziehbar, dass die Schuldigen entlassen werden. Mit anderen Worten: die Belegschaft.

Kirche kündigt "sozialverträglich"
Als ich am 24. Januar den Artikel "Alles wird gut" schrieb, war die Regierung noch optimistisch, dass die Zahl der Arbeitslosen unter fünf Millionen liegen werde. Das hat bekanntlich nicht ganz geklappt. Falls unser Bundesgerhard glaubt, dass wir bald wieder unter 5 Millionen kommen (und auch diese Statistik ist noch geschönt!), möge er die bereits in jenem Artikel erwähnten Zahlen mit diesen hier addieren: Singulus minus 120 Arbeitsplätze, Miele minus 1000 Arbeitsplätze, Hypo-Vereinsbank minus 2500 Arbeitsplätze, Siemens minus 945 Arbeitsplätze, Burda minus 150 Arbeitsplätze, Schefmacher minus 580 Arbeitsplätze, wobei 2006 noch einmal 370 Stellen im Werk Geislingen entfallen, das wird geschlossen und die Produktion ins Ausland verlagert. Die Fiat AG entlässt in Deutschland ebenfalls 15 Prozent der Belegschaft. Mitbewerber Opel in Kaiserslautern kündigt 650 Mitarbeitern. Insgesamt sollen bei Opel 6000 Mitarbeiter in Beschäftigungsgesellschaften landen. Selbst vor den Kirchenpforten macht der Abbau keinen Halt: Das Erzbistum Bamberg lässt 160 Jobs den Weg alles Irdischen gehen, möglichst sozialverträglich, versteht sich, aber dennoch seien betriebsbedingte Kündigungen nicht auszuschließen. Hallelujah!

Das sind aber lediglich die Zahlen, die in den Medien erscheinen; sie stammen aus Quellen, die während der letzten drei Wochen veröffentlicht wurden. Wie sagte mein alter Herr irgendwann vor über 20 Jahren? – "Immer ordentlich schaffen. Dann geht's der Firma gut, und wenn's der gut geht, geht's auch der Belegschaft gut!"
Inzwischen ist er Rentner. Eigentlich schon fast zu beneiden.

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